Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
Mail: florian.friedrich@psychotherapie-salzburg.de
Adressen: Innsbrucker Bundesstraße 47
und Fürstenallee 9
5020 Salzburg
Österreich
Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
in Salzburg / Hamburg
Wichtig: Ich kann erst ab Anfang Februar 2025 wieder freie Plätze und Erstgespräche anbieten.
Lesen Sie in diesem Artikel, ob Traumen trans*ident/transsexuell oder non-binär machen.
Traumatisierungen verursachen normalerweise keine Geschlechtsdysphorie oder trans*Identität. Allerdings kann es nach schweren frühkindlichen Traumatisierungen zur so genannten "Pseudo-trans*Identität" kommen. Hierbei handelt es sich nicht um eine dauerhafte und stabile Geschlechtsinkongruenz, sondern um ein Traumafolgesymptom. Es handelt sich dabei um eine nicht stabile und nicht dauerhafte Störung der Geschlechtsidentität.
Noch immer spuken in der Psychologie und Psychotherapie völlig veraltete, trans*negative Theorien herum, dass Traumatisierungen in Kindheit und Jugend zu Trans*Geschlechtlichkeit führen würden. So wird etwa jungen trans*Menschen gar nicht so selten unterstellt, dass sie nur deshalb transgender, transident, transsexuell, nicht binär oder genderfluid seien, weil sie psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hätten.
Immer wieder habe ich Klient*innen, die erleben mussten, dass sie von Psychiater*innen, Psycholog*innen oder Psychotherapeut*innen pathologisiert wurden und dass ihre trans*Geschlechtlichkeit auf Traumatisierungen zurückgeführt wurde. Diese Traumatheorien, die früher auch bei der Erklärung der Homosexualität beliebt und verbreitet waren, haben sich als ein Irrtum herausgestellt. Sämtliche jener Erklärungsmodelle sind übrigens Defizitmodelle, da sie trans*Geschlechtlichkeit und Geschlechtsinkongruenz als eine negative Copingreaktion auf Traumatisierungen betrachten.
Ich vermisse in der gesamten Diskussion Erklärungsversuche der cis-Identitäten, d.h. wie Menschen sich entwickeln, dass sie sich in ihrem biologischen Geschlecht wohl fühlen (Geschlechtseuphorie). Sehr viele Menschen, die cis sind, sind schwer traumatisiert. Könnte nicht dann auch, provokant formuliert, die cis-Identität eine Copingreaktion auf eine Traumatisierung sein?
Aufgrund der pathologisierenden Grundhaltung der Psy-Berufe gegenüber trans*Personen ist heute eine wertschätzende, phänomenologische Diskussion und Erforschung, inwieweit Traumatisierungen die Genderidentitäten, darunter auch die cis-Identität beeinflussen, kaum noch möglich.
Auch trans*Personen sind manchmal Erklärungsmodelle wichtig, weil diese den Druck, die eigene trans*Geschlechtlichkeit zu rechtfertigen, vermindern. Tatsächlich gibt es aber bis heute kein einziges Erklärungsmodell, das wirklich überzeugen kann oder plausibel ist, und sämtliche monokausalen Theorien zur Entstehung oder Entwicklung der trans*Geschlechtlichkeit haben sich als Irrtum erwiesen.
Trans*Geschlechtlichkeit ist extrem vielschichtig und vielseitig. Von trans*Identität, über genderfluid, polygender, gender-queer, agender, non-binary bis hin zu Cross-Dressing finden sich hier ganz unterschiedliche Phänomene der menschlichen und geschlechtlichen Identitäten. Es wäre deshalb auch verwunderlich, wenn es ein allgemeingültiges Erklärungsmodell für die Entwicklung der Geschlechtsdysphorie gäbe.
Letztlich dürfen wir wohl alle akzeptieren, dass trans*Identität eine Form des menschlichen Seins ist, dessen Ursache nicht gefunden werde kann (oder muss) und dass radikale Akzeptanz und Selbstakzeptanz viel wichtiger sind, als der verzweifelte Versuch, sich an fadenscheinige Entstehungstheorien zu klammern.
Trans‘*Geschlechtlichkeit kann in unterschiedlichen Lebensabschnitten auftreten, obwohl sie das bei vielen Menschen bereits in der ganz frühen Kindheit tut, oft zeitlich vor schweren Traumatisierungen. Zudem entstehen Traumatisierungen ja auch gerade dadurch, dass das soziale Umfeld die trans*Geschlechtlichkeit gewaltvoll sanktioniert und trans*Personen diskriminiert werden. Sie erleiden mitunter jahrelange Beschimpfungen, Mobbing, Bullying, körperliche und seelische Gewalt. Man könnte auch sagen: Menschen haben trotz schwerster Traumatisierungen den Mut, die Kraft und die personalen Ressourcen, ihre trans*Geschlechtlichkeit zu spüren und diese authentisch zu leben. Insofern können auch die Geschlechtsinkongruenz und der Stolz darauf Ressourcen und Kraftquellen sein.
Psychotherapie, Beratung und Coaching sollten zur Selbstfürsorge, zum Ausprobieren, Kennenlernen, Erkunden und Riskieren anregen und ermutigen und Entwicklungshilfe geben. Das ist aber nicht möglich, wenn trans*Menschen Traumatisierungen und Traumafolgestörungen verschweigen müssen, weil sie spüren, dass ihre Helfer*innen damit nicht umgehen können, problematischen Ursachentheorien anhängen oder denken, dass sich trans*Geschlechtlichkeit aufgrund von Traumatisierungen entwickle.
Mir sind trans*Personen bekannt, denen ein Gutachten zur Befürwortung geschlechtsangleichender medizinischer Maßnahmen verweigert wurde, weil ihre Psychotherapeut*innen ihre trans*Identität aufgrund von Traumatisierungen angezweifelt hatten.
Insofern ist die Sorge und Zurückhaltung vieler trans*Personen, Gutachter*innen und professionellen Helfer*innen von ihren Traumen zu erzählen so unberechtigt nicht. Die berechtigte Angst zwingt aber zum sich-Verstellen und zur Überanpassung an die Normen der Helfer*innen, was viele trans*Personen ohnehin in ihrer Biographie oft genug tun mussten und was sie retraumatisieren kann. Insofern können auch professionelle Helfer*innen, die veralteten Entstehungsmodellen der trans*Identität anhängen, für Wunden in der Biographie verantwortlich sein.
Halten wir uns vor Augen: Wer trotz schwerer Traumatisierungen und Traumafolgestörungen zu seiner trans*Identität findet, leistet Enormes und muss über erstaunliche innere Kräfte und Ressourcen verfügen. Einer trans*Person aufgrund von Traumatisierungserfahrungen und unhinterfragten, völlig veralteten Pathologiemodellen geschlechtsangleichende Maßnahmen zu versagen ist unmenschlich, verstößt gegen jede professionelle Ethik und ist eine Verletzung der Personenwürde.
2019 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die ICD-11 (die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in ihrer elften Revision ) verabschiedet. In dieser wird trans*Geschlechtlichkeit als Normvariante der Geschlechtsidentität und nicht mehr, wie bisher, als psychische Störung beschrieben. Sie gilt nun als ein Zustand sexueller Gesundheit.
Ab wann die ICD-11 in Österreich und Deutschland eingeführt wird, ist noch immer nicht klar. Trotz allen Leidensdrucks, den trans*Menschen in einer heteronormativen Gesellschaft verspüren, wird Geschlechtsinkongruenz dann aber endgültig entpathologisiert sein.