Schwul/lesbisch im Alter - Psychologische Hilfe

Florian Friedrich • 29. Oktober 2025

Probleme und Schwierigkeiten homosexueller Senior*innen

Menschen, die heute alt oder hochbetagt sind, kommen aus Generationen, in denen es nicht selbstverständlich war, offen als schwul/lesbisch oder bisexuell zu leben.

Lange Zeit gab es in Deutschland und Österreich rechtliche Verfolgung und eine rigorose Strafgesetzgebung, welche Homosexualität streng verfolgte und mit Inhaftierung sanktionierte. Auch in der Psychologie galt Homosexualität bis in die 1990er Jahre als eine schwere psychische Störung, als eine abartige Perversion und psychische Pathologie, die es mittels Konversionstherapie zu heilen galt. In den Kirchen wurden schwule, lesbische und bisexuelle Menschen als schwere Sünder gebrandmarkt.

Schwul, lesbisch und bisexuell im Alter

Traumen und Wunden können im Alter wieder aufbrechen

Alte und hochbetagte Menschen wurden somit in einer Zeit sozialisiert, in welcher ständig strafrechtliche Verfolgung, soziale Ächtung, Imageverlust, Kündigungen im Beruf und gesellschaftliche Diskriminierung drohten, wenn die Homosexualität bekannt wurde. Diese Erlebnisse haben oft Wunden und Traumen hinterlassen und sich tief in die Psyche eingebrannt. Die betroffenen Menschen konnten sich meist nicht einmal in ihren Familien oder im Freundeskreis outen und fühlten sich zutiefst einsam. In der Regel waren sie gezwungen, Scheinehen einzugehen und ein belastendes Doppelleben zu führen. Die Homosexualität bzw. Bisexualität musste das ganze Leben lang geheim gehalten werden.

Das Ausleben der romantischen, erotischen und homosexuellen Bedürfnisse war mit hohen Risiken verbunden.


Alte schwule und lesbische Menschen waren damit ihr gesamtes Leben lang gezwungen, ein falsches Selbst und eine falsche Identität vorzuspielen. Sie mussten Heterosexualität vortäuschen, da ihnen ansonsten das soziale Aus drohte.

Zudem wurde bis in die 1990er Jahre Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt. Schwule und bisexuelle Männer galten automatisch als perverse Kinderschänder und Päderasten ("der böse Onkel verführt und missbraucht Buben und junge Männer"). Diese Ängste wirken heute bei alten Menschen noch immer nach, da sie sich Jahrzehnte-lang verfestigt und chronifiziert haben.

Reportage: Schmerzhafter Weg bis zum Outing: "Gay & Grey"-Treffpunkt hilft schwulen Senioren

Ein Film von SWR Landesschau Rheinland-Pfalz

Alte schwule Männer sprechen von Polizeigewalt, Zwangspsychotherapien und Inhaftierungen wegen des Auslebens ihrer homosexuellen Bedürfnisse - ein erschütterndes Zeugnis über das unermessliche Leid homosexueller Menschen bis in die 1980er Jahre.

Alte homosexuelle/bisexuelle Menschen und verinnerlichte Homophobie

Viele homosexuelle und bisexuelle Männer und Frauen verinnerlichten diese gesamtgesellschaftliche Homosexualitätsfeindlichkeit (Homophobie) und betrachteten sich fortan selbst als krank, pervers, sündhaft und abartig. Dieses Phänomen wird auch als "verinnerlichte Homophobie" bezeichnet.

Was wundert es da noch, dass es so wenige ältere, alte und hochbetagte Menschen gibt, die sich offen zu ihrer Homosexualität/Bisexualität bekennen.


In der Schwulen- und Lesbenszene gibt es keine Kultur des guten Alterns

Auch innerhalb der schwulen und lesbischen Mainstream-Community fehlt es an Akzeptanz für alte und hochbetagte schwule, lesbische und bisexuelle Personen. Es gibt einen krankhaften und narzisstischen Jugendkult, und ein Mensch, der über 40 Jahre ist, gilt bereits als alt. Nur wer jung, knackig und durchtrainiert ist, gilt in der kommerziellen Szene als schön und attraktiv.

Auffallend, jedoch nicht verwunderlich ist, dass in der Schwulen- und Lesbenszene kaum Menschen anzutreffen sind, die älter als 55 Jahre sind. Besuchen ältere Personen dennoch ein schwules/lesbisches Lokal, so werden sie nicht selten belächelt, bemitleidet, verhöhnt, nicht für ernst genommen und damit stigmatisiert. Sie stellen eine Minderheit innerhalb einer Minderheit dar.

Damit bleibt die gesamte Mainstream-Szene zu jung und altert nicht. Es wird kein kollektives Erfahrungswissen des guten Alterns gesammelt

Dokumentation: "Ein sicherer Raum für LGBTQ Seniorinnen und Senioren"

Sehe die europaweit erste Pflege-WG für schwule Männer. In vielen Pflegeeinrichtungen gibt es noch immer viel Homophobie.

Wir haben noch immer das Bild der dienenden Pflege, das völlig veraltet ist. Auch ist die Pflege nicht der Medizin untergeordnet, sondern sie ist eine eigene Profession, ein sozialwissenschaftlicher Beruf. Damit ist sie ein wesentlicher Bestandteil interdisziplinärer Teams rund um die Patient*innen. Dieser Zugang kann Pflegenden helfen, besser mit sich selbst, Diversity und LGBTIQA* umzugehen.

Psychotherapie im Alter kann eine Hürde sein

Besonders schwierig gestaltet sich der Kontakt zu einem Psychotherapeuten/zu einer Psychotherapeutin, wenn diese*r nicht aus der LGB-Community ist. Es gibt noch immer zu wenige Psychotherapeut*innen, die auf Homosexualität und Bisexualität spezialisiert sind und diesbezüglich eine gute Feld- und Fachkompetenz haben.

Hier können dann Selbsthilfegruppen eine wichtige psychologische und soziale Unterstützung und Ergänzung bieten, da wir als Gruppentiere auch immer Gemeinschaften benötigen, in denen wir uns geborgen und zu Hause fühlen. 


Die Bundesvertretung schwuler Senioren (BISS) in Deutschland

BISS setzte es sich zur Aufgabe, die Selbstorganisation, die Selbsthilfe und die gesellschaftliche Teilhabe älterer schwuler Männer zu stärken und stellt damit eine Empowerment- und Emanzipationsbewegung dar, da das Thema Homosexualität und Bisexualität im Alter noch immer ein Tabu ist. 

Melde Dich bei Biss, wenn Du Kontakt zu Selbsthilfegruppen suchst. 


Meine psychologische Hilfe für ältere schwule, lesbische und bisexuelle Menschen in Salzburg / Wien / Hamburg

Ich unterstütze Dich dabei, auch noch im vorangeschrittenen oder hohen Alter Frieden mit Deiner sexuellen Orientierung zu schließen und diese in Dein Leben zu integrieren. Auch die Trauer um verlorene Lebensjahre, in denen die Homosexualität nicht gelebt oder ausgelebt werden konnte oder durfte, soll in der Psychotherapie Raum haben.

Das Bedürfnis nach Partnerschaft, Liebe, Erotik und Sexualität kann auch thematisiert werden, und wir können zusammen suchen, wie Deine Bedürfnisse befriedigt werden können.


Themen einer Psychotherapie können etwa sein:

  • Trauer über Wunden in der Biografie
  • nicht gestillte Bedürfnisse
  • Verliebtheit im Alter
  • Homophobie in Senior*innen-Einrichtungen
  • Einsamkeit
  • Liebe, Sexualität und Partnerschaft im Alter
  • Diskriminierung und Stigmatisierung
  • Traumen und Wunden
  • Ängste und Sorgen
  • Sterben und Tod
  • der Umgang mit körperlichen Gebrechen
  • Depressionen
  • Glaube, Spiritualität und Homosexualität
  • eine bestehende heterosexuelle Partnerschaft
  • das Verhältnis zu den eigenen Kindern

Doku von ProSieben: "Homosexualität damals vs. heute - Gay & Grey"

Bertolt Brecht: DIE HEILIGE JOHANNA DER SCHLACHTHÖFE
von Florian Friedrich 23. November 2025
Mein kommendes Schauspielprojekt: Bertolt Brecht "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" Ab 7. November in Salzburg Produktion, Regie und Schauspiel: Cassandra Rühmling Musik: Robert Kainar SchauspielerInnen: Henry Arnold , Jan Walter , Uschi Nocchier i , Mathias Mayerhofer , Florian Friedrich , Sabine Füssl, Pierre Feitler, Kunigunde Eschbacher Hier können Sie die Tickets im Vorverkauf erwerben
Selbstregulierung und Emotionen regulieren
von Florian Friedrich 20. November 2025
Was sind Gefühle und Emotionen? Gefühle sind grundsätzlich Körperempfindungen, die wir durch unsere Bezugspersonen und unser soziales Umfeld lernen zu interpretieren. Diese Interpretationen können auch falsch sein, haben jedoch einen starken Einfluss auf das Erleben unserer Realität und unserer sozialen Bindungen. Oft sind bestimmte Gefühle im Hier und Jetzt der Realität gar nicht angemessen, sondern sie kommen aus unserer Biografie. Dies bezeichnet man auch als " emotionale Flashbacks ". Erfahre in diesem Artikel, wie Du Deine Emotionen besser regulieren kannst.
HIV-positiv: Therapiegruppen in Salzburg / Hamburg
von Florian Friedrich 20. November 2025
Selbsterfahrungs- und psychologische Gruppen in Deutschland / Österreich / Schweiz Menschen, die HIV-positiv sind, leiden oft nicht nur unter ihrer HIV-Infektion, sondern haben mitunter starke Schamgefühle, die ihnen von der Gesellschaft, von Ämtern, Institutionen, Behörden, Systemen oder psychisch übergriffigen Menschen manipuliert werden. Dies kann zu seelischen Belastungen und Depressionen führen, die die Lebensqualität vermindern. Auch Partnerschaften und die Sexualität können dadurch beeinträchtigt werden. Hier finden Sie meine PowerPoint-Präsentation zum Workshop als PDF. Ich biete Psychotherapiegruppen, Gruppentherapie und Workshops für HIV-positive Personen in Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Gerne komme ich auch in Ihre Institution oder Einrichtung.
Was ist das Window of Tolerance?
von Florian Friedrich 20. November 2025
Was bedeutet das Window of Tolerance bzw. Toleranzfenster? Das Toleranzfenster und seine Bedeutung für die Selbstregulierung Das Konzept des „ Window of Tolerance “ bzw. des " Toleranzfensters " geht auf den Professor für Psychiatrie Daniel Siegel zurück. Wenn wir uns im Toleranzfenster bewegen, dann fühlen wir uns ausgeglichen und im Einklang mit uns selbst. Wir können dann auch schwierige Gefühle und Emotionen gut zulassen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Wir halten unsere Metabene aufrecht, vermögen uns selbst zu beobachten, zu reflektieren und erleben Selbstwirksamkeit. Fallen wir nach oben aus dem Toleranzfenster heraus, so erleben wir überwältigenden Stress. Wir geraten in den Kampf- oder Fluchtreflex und sind sympathikoton übererregt. Diesen Zustand bezeichnet man auch als Hyperarousal. Fallen wir in den untersten Bereich, in das Hypoarousal, so kommen wir in das Erstarren bzw. in den Totstellreflex. Sowohl im Hyperarousal als auch im Hypoarousal verlieren wir unsere Fähigkeiten zur Selbstregulierung und Selbstreflektion und sehen unsere Umwelt und unsere Mitmenschen als eine Gefahr an. Wir verlieren unsere Metaebene und Empathie. Wenn wir, wie das bei traumatisierten Menschen meist der Fall ist, oft oder permanent aus dem Toleranzfenster herausfallen, so erschöpft uns dies im Alltag immens. Wir fühlen uns dann diesen emotionalen Achterbahnfahrten hilflos ausgeliefert.