Mag. Florian Friedrich, BA

Psychotherapie, Beratung und Coaching


Wichtig: Ich bin in meiner Praxis voll und kann daher keine Ersttermine

 für neue Klient*innen anbieten.

Co-Regulation in der Traumatherapie

Florian Friedrich • 23. Januar 2024

Unsere Nervensysteme schwingen sich aufeinander ein

Wir haben als Menschen und Säugetiere die Fähigkeit, uns mit unseren Nervensystemen zu verbinden.

Im Idealfall tun Mütter, Väter und andere Bezugspersonen dies mit ihren Babys und Kleinkindern. Manche Formen der Co-Regulierung finden bereits im Mutterleib statt.

Bedauerlicherweise sind viele Eltern selbst so traumatisiert, dass sie ihre Kinder nicht co-regulieren, sondern vielmehr co-dysregulieren oder einfach gar nichts tun. Dies führt zu Entwicklungs- und Bindungstraumen, aber auch zu neurologischen Schäden. Denn Co-Regulation ist unabdingbar, damit sich ein Mensch psychisch und physisch gesund entwickelt.


Lesen Sie in diesem Artikel über die Bedeutung von Co-Regulierung in der modernen Traumatherapie.

Co-Regulation in der Traumatherapie

In der Psychotherapie wird die Autonomie überbetont

In unserer Gesellschaft werden Leisten, Selbstdarstellung, Individualität und Autonomie überbetont. Wir sollen alles selbst schaffen, nie auf andere angewiesen sein und dabei immer ein glückliches Lächeln im Gesicht tragen, auch wenn dies nur gespielt ist.

Von dieser gesellschaftlichen Fehlentwicklung sind auch die moderne Psychotherapie und Psychologie stark beeinflusst und geprägt.


Beispiel 1: Ich erinnere mich an eine Supervision, in der mich ein Lehrtherapeut stark kritisierte, dass eine schwer traumatisierte Klientin mit einem perinatalen Trauma und Frühstörungen von mir abhängig sei und mich zur Co-Regulierung benötige. Dies dürfe nicht sein. Ich würde die Klientin dadurch missbrauchen, denn sie solle sich vornehmlich selbst regulieren können. Meine Einwände auf Reparenting und Nachbeelterung ließ der Lehrtherapeut nicht gelten. Ich spürte bei ihm das große Tabu der Abhängigkeit und einen irren Leistungsdruck.


Beispiel 2: In einer anderen Supervision berichtete ich einer Lehrtherapeutin, dass ich einen Klienten umarmt hatte, weil dieser am nächsten Tag eine gefährliche Operation hatte und sich körperlichen und emotionalen Halt von mir gewünscht hatte. Zudem trauerte der junge Mann, weil es niemanden in seinem Leben gab, der ihm Halt gab, und er absichtslose Berührungen in seinem Leben vermisste. Er erlebte in seinem Leben immer wieder tiefe Einsamkeit. Er war von meiner Umarmung zutiefst berührt.

Die Lehrtherapeutin war skeptisch. Sie vertrat die Meinung, dass es viel wertvoller für den therapeutischen Prozess sei, wenn der Klient sich durch Selbstberührungen regulieren könne. Er solle nicht von meiner Berührung abhängig sein.


Hier entsteht das Bild von Menschen, die als selbstreferentielle Systeme irgendwie funktionieren müssten, als ob wir Nähe, Kontakt und gesunde Bindungsmuster alleine lernen könnten. Dieser Widerspruch ist vielen Psychotherapeut*innen überhaupt nicht bewusst. Auch der Leistungsgedanke und die Selbstoptimierung kommen dabei stark in die Therapie hinein.

Diese Aussagen meiner SupervisorInnen negieren völlig, dass wir ab einer bestimmten Dysregulierung das Nervensystem eines Mitmenschen benötigen, der besser reguliert ist, als ich das bin. Wir alle sind viel weniger autonom, als wir das denken oder es uns die Psycho- und Esoszene glauben machen. Ich halte diese Haltung als dissoziativ und ungesund. Sie ist ihrerseits ein Symptom einer kollektiven Bindungsstörung, die so tief in unserem kulturellen Unbewussten sitzt, dass sie uns kaum noch bewusst ist. Dies sollte uns zu denken geben.

Film: "Co-regulation: What It Is and Why it Matters"

Wir sind mehr als die Summe unserer Teile, wenn wir uns verbinden

Die kreativsten und besten Leistungen erbringen wir immer in Gruppen und Teams, denn die Impulse von außen und unseren Mitmenschen sind wertvoll und notwendig.

Wir sollten uns deswegen umso mehr vor Augen führen: Wir sind soziale Säugetiere und niemals selbstreferentiell. In meinen anderen Berufen als Sänger und Schauspieler genieße ich diese Interdependenz, da durch sie etwas Drittes, Größeres und Transzendentes im zwischenmenschlichen Raum entsteht. Man denke etwa an einen Chor, der viel mehr ist, als die Summe seiner Singenden.

In der Psychotherapie ist diese Haltung bedauerlicherweise kaum verbreitet.


Auch Zweierbeziehungen und Kleinfamilien entsprechen uns als Gruppentiere, die sich viel durch Körperkontakt und emotionale Nähe zu anderen regulieren und co-regulieren, überhaupt nicht. Es liegt viel Weisheit in dem Spruch, dass man ein ganzes Dorf benötige um ein Kind großzuziehen. Das pandemische Ausmaß an Narzissmus, Bindungs- und Entwicklungsstörungen ist auch eine Folge des Verlustes an Gemeinschaften, Gruppen und Verbänden und der uns nicht entsprechenden Modelle von abgeschotteten Partnerschaften und isolierten Kleinfamilien. Gerade Isolation macht uns aber krank und ist nicht zufällig eine furchtbare Foltermethode.

In Kitas und Kindergärten ist es genau umgekehrt, als in der Weisheit vom Dorf, welches ein Kind großzieht: Hier kommen mehrere Kinder auf eine Betreuungsperson.

Haben wir das Gefühl, nicht zugehörig zu sein und werden mangelhaft reguliert, so zieht dies psychische und körperliche Erkrankungen nach sich.


Wie können wir gut mit Co-Regulierung in der Traumatherapie arbeiten?

Gefühle, Emotionen und Instinkte sind ansteckend, und dies können wir im Rahmen der Psychotherapie bewusst und konstruktiv nutzen.

Es ist daher meine berufliche Aufgabe als Psychotherapeut, dass ich immer besser reguliert bin als meine Klient*innen. Dies erfordert eine achtsame Grundhaltung, die ich vor Beginn meiner Therapiesitzungen durch Meditationen, Autogenes Training, Bodyscans, Atemübungen, beruhigende Rituale und Partialisieren bewusst herstelle, um mich als gut regulierter Mensch mit dem Nervensystem meiner Patientin zu verbinden. Dabei ist es wichtig, dass ich jede Intention und meinen eigenen Leistungsdruck herausnehme.


Bin ich nicht gut reguliert, weil ich etwa Zeuge von schwerer körperlicher Gewalt geworden bin (wie das gerade in meinem Leben der Fall war) und ganz viel Spannung in meinem Körper habe, so teile ich das meinen Klient*innen mit, damit es klar wird und nicht unausgesprochen im Raum fühlbar und damit zu einer Belastung für uns wird. Dieses Mitteilen reguliert mich übrigens selbst und schafft viel Vertrauen, Nähe und Bindung.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist, dass ich als Psychotherapeut meinen Körper gut kenne und spüre. Hierfür helfen mir nicht nur meine eigene Psychotherapie, Selbsterfahrung und Supervision, sondern auch, dass ich moderat Kraftsport mache und seit vielen Jahren klassischen Gesangsunterricht nehme, bei dem es viele Parallelen zur Körperpsychotherapie gibt. Gerade durch den Gesangsunterricht und durch meine vielen Schauspielerfahrungen habe ich ein gutes Gespür für meinen Körper, meine Atmung und meine Prosodie.

Film: "Wie Co-Regulation dein Leben leichter macht"

Wie findet Co-Regulation statt?

Wir co-regulieren mit unserem ganzen Körper, also mit unserer Mimik, Körperhaltung, Sprache, Dialekt, Stimme und Tonfall, aber auch mit Berührungen. Dabei gleichen sich unsere Sitzhaltungen, unser Puls und unsere Atemfrequenz an, und wir stimmen uns aufeinander ein wie Instrumente in einem Orchester.

In meinen Therapiesitzungen atme ich oft ganz tief durch, spüre meinen Hintern und Rücken und lasse meine Arme und Beine mittels Autogenem Training ganz schwer werden.


Körperpsychotherapeutische Übungen mache ich nicht selten zusammen mit meinen Patienten, d.h. ich mache mit, wenn meine Klientinnen diesbezüglich unerfahren sind, um sie nicht allein zu lassen, zumal ja Scham in der Regel eine große Rolle spielt.

Diese meine gute Selbstregulierung wirkt fast immer ansteckend, ähnlich wie wir das alle vom Gähnen kennen, das zwar irrtümlicherweise als unhöflich gilt, aber auch co-reguliert und unseren Parasympathikus aktiviert.

Insgesamt fühle ich mich durch dieses Co-Regulieren mit meinen Klient*innen sehr verbunden, gut in Kontakt und nah, viel verbundener als im Alltag mit meinen FreundInnen, was ich etwas bedauere.


Viele Menschen können (noch) nicht in echten Kontakt gehen

Jedoch müssen wir im Hinterkopf behalten, dass sich nach prä- und perinatalen Traumen, bei Frühstörungen und anderen schweren Traumatisierungen viele Betroffene unbewusst gegen uns verschließen und nicht in echten Kontakt gehen können. Sie erleben mich gar nicht als anwesend. Besonders stark ist das bei Menschen der Fall, die äußerst schlecht verkörpert sind. Hier können dann Körperkontakt und Berührungen sehr hilfreich sein, und es kann nach meiner Erfahrung mehrere Jahre an Therapie brauchen, bis diese Betroffenen überhaupt in Kontakt zu gehen vermögen. Die Devise lautet hier: Zeit, Raum, Halt, Sicherheit, Containment und ganz viel Co-Regulierung.


Fazit: Viele Klient*innen und Patient*innen sind so stark von Emotionen überflutet und damit dysreguliert, dass sie uns als Psychotherapeut*innen benötigen, um sich zu regulieren und sich selbst zu beobachten. Dies hat nichts mit Abhängigkeit und Missbrauch zu tun, sondern ist eine evolutionsbiologische, wissenschaftlich belegte Tatsache. Co-Regulation sollte zu einem wesentlichen Baustein jeder Psychotherapie werden, denn sie hilft unseren Klient*innen, in der Traumatherapie voranzukommen und Traumafolgesymptome in ihr Leben zu integrieren.

Podcast von Humansarehappy: "Trotz Trauma: Verbundenheit lernen – mit Verena König"

Diagnostik aus hypnosystemischer Sicht
von Florian Friedrich 6. März 2025
Diagnosen sagen nichts über unsere Klient*innen aus Als Hypnosystemiker erlebe ich Diagnosen meist als trivialisierend und als eine die Komplexität reduzierende Vernichtung von Informationen. Zudem werden Diagnosen überwiegend völlig blind für den Kontext gestellt, in dem ein Symptom auftritt. Ziel dienlich sind Diagnosen aus hypnosystemischer Sicht dann, wenn Patient*innen sie wollen, weil sie dadurch Entlastung erfahren (was ich dann wieder utilisieren kann), oder eben für die Krankenkassen und Sozialversicherungsträger. Der Begründer der Hypnosystemik Gunther Schmidt erwähnt etwas augenzwinkernd, dass sich seine Klient*innen eine der häufigsten Diagnosen (etwa "mittelgradige depressive Episode") selbst auswählen dürfen (sie können aber auch ausgewürfelt werden), wobei wir die Diagnosen dann zusammen mit unseren Klient*innen auf möglicherweise negative Auswirkungen überprüfen sollten.
Täterintrojekte - was ist das?
von Florian Friedrich 5. März 2025
Wenn der/die Täter*in innerlich immer da ist Die Bezeichnung "Täterintrojekt" ist völlig veraltet, pathologisierend, unglücklich, irreführend und aus meiner hypnosystemischen Sicht wenig ziel-dienlich. Dennoch möchte ich in diesem Artikel erläutern, was damit gemeint ist. Das Wort " Introjekt " leitet sich vom Lateinischen " intro " (zu Deutsch: hinein, herein) und " iacere " (zu Deutsch: werfen) ab. Ganz typisch nach schweren Traumatisierungen in der präverbalen Lebensphase, also in der frühesten Kindheit, ist es, dass sich täterloyale Muster ausbilden. Die Opfer verhalten sich in Abwesenheit der Täter*innen so, als ob diese anwesend wären. Es entwickelt sich die verkörperte Wahrnehmung, dass die Täter*innen richtig seien und ich selbst falsch. Dies führt zu einem tiefen Selbsthass. Die Opfer introjizieren zudem das Bild des schlechten, bösen und ungeliebten "Kindes", welches ihnen von den Täter*innen (meist von den Eltern oder anderen nahen primären Bezugspersonen) vermittelt wird. Die Täter*innen pflanzen also dem Kind ein Feindbild seiner selbst ein. Typisch für "Täterintrojekte" ist die toxische Scham, die zur Schamrage und zum Hass führen kann. Darum sind Pflegekinder, die im ersten Lebensjahr bei schwer psychisch kranken Eltern, drogensüchtigen Müttern oder schlagenden Vätern leben mussten, oft schwer gestört. Aufgrund ihrer Täterintrojekte entwickeln sie später auch dann eine Persönlichkeitsstörung, wenn sie in liebevollen Pflegefamilien aufwachsen.
Rituelle Sexuelle Gewalt ist eine Legende
von Florian Friedrich 4. März 2025
Das Verschwörungsnarrativ von Michaela Huber Insgesamt gibt es mindestens 20 Definitionen von Ritueller Gewalt (RG). Dieser Artikel bezieht sich auf die Verschwörungstheorie der berühmten Traumatherapeutin Michaela Huber, ein Narrativ, das leider in der Therapieszene noch immer als selbstverständlich hingenommen und zu wenig hinterfragt wird. Lesen Sie in diesem Beitrag, warum Rituelle Sexuelle Gewalt (nach Michaela Huber) und Satanic Ritual Abuse (SRA) Legenden und klassische Verschwörungstheorien sind.
trans*identität – Supervision und Teamsupervision
von Florian Friedrich 4. März 2025
Gruppensupervision für Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen, Psychiater*innen, Gutachter*innen, Pädagog*innen, Therapeut*innen und andere Berufsgruppen Ich biete regelmäßig an Samstagen von 11 bis 13 Uhr eine kostenlose online Supervisionsgruppe / Intervisionsgruppe für Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an, die trans*Personen auf ihrem Weg der Transition in ihr Wunschgeschlecht begleiten und/oder Gutachten bzw. Stellungnahmen für Hormontherapien und Operationen verfassen. In dieser Gruppe können wir alle viel voneinander lernen, Fallvignetten einbringen, unser Schwarmwissen bündeln, netzwerken und auch Länder übergreifend zusammenarbeiten. Die Gruppe ist offen, d.h. Sie können jederzeit dazustoßen. Ich selbst koordiniere die Gruppe nur, bin aber im Sinne der Intervision ein Teil der Gruppe und nicht deren Leiter. In der Gruppe können Einzelfälle, aber auch Themen eingebracht werden. Mögliche Themen sind: Gutachten erstellen Sorgen wegen Detransition und Fehldiagnosen Rechtliches und Haftung bei Detransition Autismus, ASS und ADHS in der Kombination mit trans*Identitäten genderfluide und non binäre Lebensweisen Rechtliche Aspekte Andere LGBTIQA* Themen Wann sind die nächsten Termine? Samstag, 8. März 2025 von 11 bis 13 Uhr Samstag, 10. Mai 2025 von 11 bis 13 Uhr Samstag, 12. Juli 2025 von 11 bis 13 Uhr Einzeln oder im Team Des Weiteren biete ich (kostenpflichtige) Supervisionen (einzeln oder Teamsupervision) und Coaching für helfende Berufsgruppen an, die mit trans*identen (transgender, transsexuellen, diversen, nicht binären, genderfluiden) Personen arbeiten, etwa für Pädagog*innen, Psychotherapeut*innen, Psycholog*innen, Ärzt*innen und Gutachter*innen. Die Supervisionen sind auch online möglich. Viele Psychotherapeut*innen und Gutachter*innen sind sich unsicher, wie sie mit trans*Personen und der Geschlechtsidentität von Menschen arbeiten und therapeutisch vorgehen sollen und lehnen dann trans*idente und non-binäre Menschen ab. Unter Umständen liegt dies daran, dass trans*Personen oft gar keine klassische Psychotherapie benötigen, da es ja nicht um die Heilung von Symptomen oder einer psychischen Erkrankung geht, sondern vielmehr um eine aktive Unterstützung auf dem Weg der Transition und der persönlichen Entwicklung.
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