Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
Mail: florian.friedrich@psychotherapie-salzburg.de
Adressen: Innsbrucker Bundesstraße 47
und Fürstenallee 9
5020 Salzburg
Österreich
Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
in Salzburg / Hamburg
Wichtig: Ich kann erst ab Anfang Februar 2025 wieder freie Plätze und Erstgespräche anbieten.
Politische Korrektheit meint eine Haltung, welche Minderheiten fördert, sich für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit einsetzt und zugleich vermeidet, Menschen, die einer bestimmten Gruppe, Ethnie, sexuellen Identität, sexuellen Orientierung, eines bestimmten Geschlechts u.v.m. angehören, zu kränken, herabzusetzen oder auszuschließen. Somit vertritt die politische Korrektheit einen diversen, partizipativen Ansatz und orientiert sich an der Lebenswelt der Menschen.
Die Politische Korrektheit findet ihre Ursprünge in den Menschenrechten, in der jesuanischen Haltung der Nächstenliebe, in der christlichen Idee der Caritas und der modernen Ethik.
Lesen Sie in diesem Artikel, wie die wertvolle Haltung der Politischen Korrektheit missbraucht wird und ihre Vertreter*innen oft selbst gewaltvoll werden.
Problematisch wird die Politische Korrektheit dann, wenn sie Selbstzensur fördert oder einfordert. Rasch wird dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Politische Korrektheit wird von reaktionären Menschen oft als Zensur abgestempelt. Dies ist Unsinn, weil wir als mündige erwachsene Menschen selbst entscheiden, wie wir miteinander umgehen und sprechen möchten. Wenn ich das Wort „Schwuchtel“ oder „Neger“ verwende, muss ich allerdings mit Kritik und Widerstand rechnen, weil diese Worte heute andere Menschen massiv abwerten und kränken und damit psychisch gewaltvoll sind. Diese Kritik ist dann keine Zensur, sondern ein Einsatz für Humanismus, Menschlichkeit, Sorge und Nächstenliebe.
Die gesunde Politische Korrektheit sucht immer den Dialog, setzt aber bei psychischer und physischer Gewalt klare Grenzen auf und zeigt Zivilcourage. Wir begegnen einander mit Respekt, Achtung und Würde und suchen das Gespräch.
Heute sehe ich jedoch im Mainstream der Politischen Korrektheit die Gefahr, dass andere und abweichende Haltungen (etwa die Verweigerung der gendersensiblen Sprache oder des Sternchens*) rasch moralisierend aufgegriffen werden und neue Zwänge entstehen. Es mangelt dann an der Freiheit zur politisch korrekten Sprache, und es entstehen neue Repressionen, die mitunter auch sanktioniert werden. Die Kommunikation wird schnell moralinsauer, vorwurfsvoll, manipulativ, kränkend bis hin zu hasserfüllt und ihrerseits stigmatisierend.
Ich sollte als mündiger erwachsener Mensch selber entscheiden können, ob ich das Sternchen, das Binnen-I, den Gender-Gap oder anderes verwende (so wie ich selbst das schriftlich als Akt meiner Wertschätzung gegenüber anderen tue). Werde ich hingegen von einem Verlag, von meinem Ausbildungsinstitut oder von meiner Universität oder Fachhochschule zur gendersensiblen Sprache gezwungen, dann führt sich die Politische Korrektheit selbst ad absurdum und wird ihrerseits repressiv und autoritär. Immerhin entsteht ja keine Menschenrechtsverletzung oder psychische Gewalttat, wenn ich die genderkonforme Sprache verweigere.
Es entwickeln sich zunehmend neue gesellschaftliche Blasen, die eine persönliche Weiterentwicklung erschweren, weil sie andere Haltungen nicht zulassen. In solch einer Blase des Widerstands und der inneren Abwehr umgebe ich mich nur noch mit Menschen, die eine ähnliche Meinung vertreten wie ich. Ich bekomme kaum noch neue Informationen, die mein Weltbild ergänzen, bereichern oder erschüttern können und vermeide dadurch Schmerz, Kummer sowie Kränkung mit dem Nachteil, dass ich mich nicht mehr persönlich weiterentwickeln kann.
Als Psychotherapeut empfinde ich diese neuen Zwänge als sehr problematisch, bestehen doch das Leben und unsere Demokratie immer aus Dialog, Meinungsvielfalt, Opposition, Kompromissen, Streit, Konflikten, Auseinandersetzungen und sich-miteinander-Abstimmen. Ich kann mir die Argumente anderer Menschen anhören, sie für mich prüfen, um ihnen dann zuzustimmen, zu widersprechen, meine Argumente durchzusetzen oder sie zu verteidigen. Ich kann dann auch idealisierende Erwartungen oder Verehrungen zurückweisen, mich vor unberechtigter Abwertung schützen und berechtigte Kritik und Anerkennung annehmen. Im Sinne eines erwachsenen und friedlichen gesellschaftlichen Zusammenlebens ist dieser dynamische Prozess des Aushandelns überaus wertvoll, er macht zudem das Leben spannend, bereichernd, vielfältig und bunt. Darüber hinaus kann ich an anderen Meinungen, Weltanschauungen und Haltungen reifen und mich weiterentwickeln.
Politische Korrektheit kann als Fehlentwicklung auch opportunistisch, scheinheilig, hysterisch und feige sein. Sie kann selbst gewalttätig, stigmatisierend und repressiv werden, etwa dann, wenn Menschen in den Sozialen Medien einen Shitstorm erleben müssen, weil sie sich keiner politisch korrekten Sprache bedienen. Auch läuft politische Korrektheit Gefahr, Menschen positiv zu diskriminieren.
Ein übertriebenes Gendern kann auch albern oder zwanghaft werden, vor allem dann, wenn das Gendern nicht mehr erwachsen im Dialog ausgehandelt wird, sondern wenn diesbezüglich von Gegnern und Befürwortern ein emotionaler Kampf geführt wird. Worum geht es hier wirklich? Um Rechthaberei, um Macht, um Grabenkämpfe, um Privilegien?
Es gibt Menschen, die unter der Flagge der Politischen Korrektheit selbst zu Täter*innen werden und ihren Hass ausagieren. Dabei wird eine wertvolle Haltung und Idee missbraucht. Zudem gibt es viele Mitläufer*innen, die ein sozial erwünschtes Verhalten an den Tag legen.
Eine Gefahr sehe ich immer dann, wenn die Politische Korrektheit auf innerseelisch tönernen Füßen steht. Ich kann das daran erkennen, dass Personen politische Korrektheit einfordern, sich dabei aber selbst nicht an die Spielregeln des achtsamen, politisch korrekten und wertschätzenden Umgangs miteinander halten.
Als sich etwa die Autorin von „Harry Potter“ Joanne K. Rowling einseitig und wenig differenziert, mitunter auch trans*negativ zum Thema trans*Identität (Menschen die transgender, transident, transsexuell, genderfluid, nicht binär, divers sind) äußerte, brachte ihr das einen Shitstorm, ja sogar eine an den Nationalsozialismus erinnernde Bücherverbrennung ein, welche an Hass, psychischer Gewalt und politischer Inkorrektheit nicht zu überbieten war. Frau Rowling erhielt dabei sogar Morddrohungen. Ihre Adresse wurde von LGBTIQA* Aktivist*innen (Menschen, die schwul, lesbisch, bisexuell, transident, intergeschlechtlich, queer und asexuell sind) im Internet veröffentlicht. Der Teufel wurde mit dem Beelzebub ausgetrieben, das Ganze unter dem Vorwand der Antidiskriminierung und Politischen Korrektheit.
Man mag die inhaltlichen Aussagen von Frau Rowling als sehr problematisch empfinden. Dies rechtfertigt aber niemals zu einem gewalttätigen, menschenverachtenden Verhalten. Rowling wurde selbst zum Opfer, viele ihrer Kritiker*innen zu sehr gewalttätigen Täter*innen.
Ich vermisse es, dass sich viele Menschen, die Politische Korrektheit vertreten, radikal von derartiger Gewalt, wie sie Frau Rowling erleben musste, distanzieren. Alles andere ist ein Missbrauch der Idee der Politischen Korrektheit.
Dieses Vorgehen ist übrigens nicht selten. Relativ häufig werden unter dem Vorwand der Politischen Korrektheit, ja, sogar mit der Überzeugung etwas Gutes zu tun, psychische Gewaltakte vollzogen und die eigenen Kränkungen, innerseelische Defizite, Traumen und der eigene Hass blind ausagiert, etwa durch Shitstorms, die Menschen, welche eine andere Meinung vertreten, an den Pranger stellen, persönlich abwerten, isolieren und mitunter auch traumatisieren.
J.K. Rowling wurde aufgrund ihrer unbedachten Äußerungen zum Opfer psychischer Gewalt. Eine Entschuldigung der Täter*innen steht bis heute aus. Auch die Medien machten sie als Opfer zur Täterin - ein Victim Blaming, wie es im Lehrbuch steht.
Wie lässt sich verstehen, dass Personen, die selber psychische Gewalt erleben mussten, diese an andere weitergeben. Eigentlich sollten ja gerade sie sensibilisiert sein und wissen, fühlen und nachempfinden können, was es heißt, ein Opfer zu sein?
Ich bin Mitarbeiter einer NGO, die sich für sexuelle Minderheiten und LGBTIQA* einsetzt. LGBTIQA*s müssen in ihrer Biographie oft massive Kränkungen und psychische Gewalt erleben, die sie mitunter traumatisieren.
Als Psychotherapeut muss ich in meiner täglichen Arbeit immer wieder erleben, wie rasch die eigenen Traumatisierungen, Kränkungen, Stigmatisierungen und das psychische Leid an andere Menschen weitergegeben werden, in der Regel völlig unbewusst.
Mir sind noch keine Täter*innen begegnet, die nicht selber Opfer von Gewalt bzw. selbst schwer traumatisiert waren.
Diesen Mechanismus nennt die Psychoanalyse „Identifikation mit dem/der Aggressor*in“. D.h. wir identifizieren uns aus Selbstschutz mit dem/der Täter*in, weil dies kurzfristig unsere Psyche vor größeren Schäden schützt. Dies erklärt etwa, warum sich Geiselopfer in ihre Entführer*innen verlieben und sie dann sogar im Gefängnis besuchen (das so genannte „Stockholm Syndrom“). Langfristig schadet dieser eigentlich geniale Selbstschutzmechanismus unserer Seele aber, weil wir den/die Täter*in verinnerlichen und in unser Innerstes hineinnehmen. Wir handeln dann entweder selbst wie der/die ursprüngliche Täter*in und schlagen dann als Opfer von körperlicher Gewalt etwa selbst unsere Kinder, begehen psychische Gewalt gegen andere, voller Hass, Verbitterung und Kränkung, oder wir gehen genauso brutal, hasserfüllt und toxisch mit uns selbst um, wie das der/die Täter*in einst tat, z.B. durch psychische und körperliche Selbstverletzungen, Selbstabwertungen etc. (diesen Vorgang nennt man „Täter*innen-Introjekt“).
Verfolgte Minderheiten geben ihren Minderheitenstress somit rasch an andere weiter.
In der Organisationspsychologie ist es altbekannt, dass Institute, Einrichtungen oder NGOs, die mit traumatisierten Minderheiten arbeiten, aber auch Selbsthilfegruppen von verfolgten und diskriminierten Minderheiten Gefahr laufen, Gewalt zu reproduzieren.
Traumatisierte Menschen und Minderheiten solidarisieren sich in der Regel nicht, weil sie die erfahrene Gewalt in ihr Inneres hineingenommen haben. So diskriminieren z.B. schwule Männer immer wieder lesbische Frauen und umgekehrt, oder lesbische Frauen und schwule Männer werten bisexuelle Menschen oder trans*Personen ab. Auch innerhalb der Community von trans*Personen kommt es zu psychischer Gewalt, Ausgrenzung, Spaltung und Diskriminierung.
Was hilft mir, der Haltung der Politischen Korrektheit gerecht zu werden und sie nicht zum Ausagieren eigener innerseelischer Störungen und Defizite zu missbrauchen?
Erst einmal ist es wichtig, dass ich eigene Fehlentwicklungen, Bindungsdefizite, mangelnde Selbstwertstrukturen, biographische Wunden und Traumen gut kenne verstehe und liebevoll mit mir selbst umzugehen lerne. Es steckt viel Weisheit in den Worten Jesu: „Liebe Deinen nächsten wie dich selbst“.
Wenn ich nicht gut mit mir selbst umgehe, traumatisiert bin, unter Frühstörungen leide oder nicht selbstreflektiert bin, dann laufe ich immer Gefahr, ein falsches Selbst zu entwickeln. Das heißt ich werde zum/zur Mitläufer*in, der/die eine sozial erwünschte politische Rolle spielt, die jedoch keine innerseelische Substanz hat, nicht geerdet ist (sondern „auf Sand gebaut“) und auf tönernen Füßen steht. Ich handle dann nach politisch korrekten Normen, weil es sozial erwünscht ist und erwartet wird, und spiele eine Rolle (Hysterie bzw. histrionisch: wenn sich Menschen so verhalten, wie sie glauben, dass es von ihnen erwartet wird).
Ich kann mich nur dann nächstenliebend, wertschätzend und politisch korrekt verhalten, wenn ich über einen guten Selbstwert verfüge. Jede Spaltung der Welt in Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse weißt mich auf mangelhafte, labile seelische Strukturen hin und ist ein primitiver, frühkindlicher Abwehrmechanismus, der mir hilft, schmerzhafte Erkenntnisse zu verdrängen.
Es ist eben bequem, leicht und gemütlich, sich selbst zu den „Guten“ zu zählen, hingegen schmerzhaft und belastend, eigene einseitige oder extreme Einstellungen zu erkennen und zu verändern. Eine echte Politische Korrektheit bedarf der Fähigkeit, den eigenen Schatten zu erkennen, wie etwa den eigenen Hass, die Wut, das Böse in mir, das politisch Unkorrekte in meiner Psyche, ihn zu kontrollieren, zu regulieren und zu integrieren. Ich kenne dann die Tendenzen meiner eigenen Psyche, andere abzuwerten. Keine Psyche ist politisch korrekt, da wir alle in unserem archaischen Neandertaler-Gehirn Impulse von Flucht, Angriff, Mord und Totschlag haben. Der kleine Neandertaler in mir ist nie und nimmer politisch korrekt.
Ich muss diese meine Schattenseiten dann aber nicht mehr an anderen projektiv und hasserfüllt bekämpfen, sondern kann souveräner mit anderen Haltungen und Weltanschauungen umgehen.
Nicht immer ist es möglich, von selbst zu lernen, liebevoll und achtsam mit sich umzugehen und eigene Traumen aufzulösen. Hier helfen dann psychologische Beratung, Coaching oder eine Psychotherapie mit einem wertschätzenden Gegenüber, das mir assistiert, langfristig gut mit mir selbst und meinen Mitmenschen umzugehen.
Ein weiteres Beispiel für Spaltung: Wenn Filmen, wie etwa AVATAR: THE WAY OF WATER" (2022) von Indianern, amerikanischen Ureinwohnern und Teilen der indigenen Bevölkerung "kulturelle Aneignung", "blue facing", Rassismus und ein "Rettungskomplex eines weißen Mannes" (alles Worthülsen und Floskeln, die gerade in und en vogue sind) vorgeworfen werden.
Sehr deutlich ist hier auch die Spaltung, psychische Gewalt und Abwertung von weißen (cis) Männern als einem neuen Feindbild sichtbar, während die kulturellen Minderheiten ihre erlittene Gewalt nun an andere weitergeben. Auf diese Weise kann kein humanistischer Dialog entstehen. Die meisten Menschen empfinden derartige Vorwürfe als albern und nervig, oder aber die Fronten verhärten sich.