Mag. Florian Friedrich, BA

Psychotherapie, Beratung und Coaching


Wichtig: Ich bin in meiner Praxis voll und kann daher keine Ersttermine

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Was sind Täterintrojekte?

Florian Friedrich • 5. März 2025

Wenn der/die Täter*in innerlich immer da ist

Die Bezeichnung "Täterintrojekt" ist völlig veraltet, pathologisierend, unglücklich, irreführend und aus meiner hypnosystemischen Sicht wenig ziel-dienlich. Dennoch möchte ich in diesem Artikel erläutern, was damit gemeint ist.


Das Wort "Introjekt" leitet sich vom Lateinischen "intro" (zu Deutsch: hinein, herein) und "iacere" (zu Deutsch: werfen) ab.

Ganz typisch nach schweren Traumatisierungen in der präverbalen Lebensphase, also in der frühesten Kindheit, ist es, dass sich täterloyale Muster ausbilden. Die Opfer verhalten sich in Abwesenheit der Täter*innen so, als ob diese anwesend wären.  Es entwickelt sich die verkörperte Wahrnehmung, dass die Täter*innen richtig seien und ich selbst falsch. Dies führt zu einem tiefen Selbsthass.


Die Opfer introjizieren zudem das Bild des schlechten, bösen und ungeliebten "Kindes", welches ihnen von den Täter*innen (meist von den Eltern oder anderen nahen primären Bezugspersonen) vermittelt wird. Die Täter*innen pflanzen also dem Kind ein Feindbild seiner selbst ein. Typisch für "Täterintrojekte" ist die toxische Scham, die zur Schamrage und zum Hass führen kann.

Darum sind Pflegekinder, die im ersten Lebensjahr bei schwer psychisch kranken Eltern, drogensüchtigen Müttern oder schlagenden Vätern leben mussten, oft schwer gestört. Aufgrund ihrer Täterintrojekte entwickeln sie später auch dann eine Persönlichkeitsstörung, wenn sie in liebevollen Pflegefamilien aufwachsen.

Was sind Täterintrojekte?

Täterintrojekte sichern das Überleben und sind eine kreative, systemerhaltende Leistung

"Täterintrojekt" ist ein etwas unglücklicher und zu pathologischer Begriff. Stattdessen erscheint mir "destruktiv wirkende Ego-States" als zutreffender. Destruktiv wirkende Ego-States sind eine Schutzreaktion auf eine Traumatisierung und damit eine Ressource. Sie wirken nur vordergründig schädlich und destruktiv, sind aber eigentlich eine "hochkompetente Lösung unseres Organismus" (Gunther Schmidt). Meist hält solch ein State die Person nämlich noch zusammen und schützt sie vor einer Psychose. Damit ist er symptomassoziiert und hat viel Wut, Energie und Rage in sich, welche im Rahmen einer Traumatherapie konstruktiv genutzt werden können.


Die Introjektion macht somit immer Sinn und erleichtert es dem Opfer, körperlich, psychisch und mental zu überleben. Sie mildert Zustände völliger Hilflosigkeit und Ohnmacht ab, indem der/die Täter*in ins Innerste hineingenommen wird.

Es handelt sich somit bei der Introjektion von Täter*innen um einen kreativen systemerhaltenden Selbstschutzmechanismus, der während der Kindheit Schmerzen sowie Beschämungen mildert und vor dem Verlust von Bindungen schützt.

Täterintrojekte geben mir die Illusion einer vermeintlichen Kontrolle. Denn wenn ich falsch und hassenswert bin, dann kann ich zumindest irgendetwas tun oder leisten, um trotzdem noch geliebt und angenommen zu werden.


Im Laufe der Zeit können Täterintrojekte jedoch immer stärker und fordernder werden, da unser Gehirn Bewährtes synaptisch verstärkt. Täterintrojekte können dann noch maligner, schädlicher und bösartiger werden, als es die ursprünglichen, realen, äußeren Täter*innen je waren.

Die psychische Entwicklung verlangsamt sich. Es kommt zu schweren Bindungs- und Beziehungsstörungen im Jugend- und Erwachsenenalter (oft auch zu Persönlichkeitsstörungen), welche alle ein Ziel haben: den Schutz vor weiterem Missbrauch durch die Unterwerfung unter die Täter*innen durch deren Introjektion.

Filmtipp: "Traumatherapie"

Was sind Symptome von Täterintrojekten?

  • Bösartiges und hasserfülltes zu sich selbst Sprechen und sich selbst Abwerten
  • Selbstbeschimpfungen
  • Suizidalität
  • Suizidversuche
  • Selbstverletzungen
  • Selbstverletzende und selbstschädigende Verhaltensweisen in der Sexualität (etwa Promiskuität, BDSM, Koprophilie [das Essen von Exkrementen], Verstümmelung erogener Zonen als Fetisch ohne innere Zustimmung)
  • Infektionen mit HIV und sexuell übertragbaren Krankheiten als Folgen des schlechten sexuellen Umgangs mit sich selbst
  • ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen
  • selbstschädigende Verhaltensweisen
  • Süchte
  • Die Einstellung zu sich selbst: "Ich habe es eh verdient, dass mich meine Eltern so schlecht behandeln mussten. Ich war ja wirklich so ein schwieriges Kind." oder: "Ich bin nicht liebenswert und wertlos. Ich sollte nicht einmal existieren." Oder: "Schäme Dich!"
  • Eine Versachlichung des Körpers, wie etwa Schönheitsoperationen oder Selbstoptimierung. Diese können Ausdruck eines tiefen Selbsthasses sein.


Auch die Angst oder das Gefühl selbst zur Täterin zu werden ist ein Hinweis auf ein Täterintrojekt.  Ich kann mich auch dann nicht wehren und schützen, wenn es unbedingt erforderlich ist.

Beispiele aus meinem Leben:

  • Als ich ein junger Lehrer war, fiel es mir äußerst schwer, meinen Schülern Grenzen zu setzen und angemessen klar und direktiv zu sein. Ich hatte als Opfer psychischer und emotionaler Gewalt tief verinnerlicht, dass ich psychische Grenzüberschreitungen aushalten müsse und mich nicht wehren dürfe. Zudem hatte ich Angst, zu streng und damit selbst zum Täter zu werden.
  • Während der COVID-Pandemie war ich kurz außerordentlicher Zivildiener in einer Einrichtung für Menschen mit schweren geistigen Behinderungen und assistierte in der Pflege. Das körperliche Berühren von Menschen, die völlig immobil und den Pflegekräften hilflos ausgeliefert waren reaktivierte meine ursprünglichen Traumen von schweren körperlichen Gewalterfahrungen, zumal nicht alle Pfleger*innen sanft, sondern oft psychisch übergriffig mit den Menschen umgingen. Ich fühlte mich auf einmal völlig ausgeliefert und hatte Todesängste, meiner Tätigkeit in der Pflegeassistenz nachzugehen. Zudem hatte ich wiederum die Angst, jemandem weh zu tun und damit selbst zum Täter zu werden. Meine Symptome wurden so stark, dass ich nach nur wenigen Wochen den Zivildienst abbrechen musste.


Wie kann ich mich von Täterintrojekten langsam lösen?

Generell leben wir in einer täterloyalen Gesellschaft, die noch immer mehr oder weniger subtil den Opfern Schuldzuweisungen macht.  Dies erschwert es Opfern von Gewalt, sich innerlich von täterloyalen Anteilen (States) zu desidentifizieren.

Es ist hilfreich, sich vom Täterintrojekt zu desidentifizieren, indem wir es etwa externalisieren, symbolisieren (etwa durch einen Gegenstand, eine Visualisierung oder Imagination, durch Aufstellungsarbeit oder mithilfe einer Handpuppe) u.v.m.

Es erfordert allerdings viele Jahre an Übung und Training, sich von Täterintrojekten zu lösen.


Sich selbst zu vergeben ist schwierig und erfordert viel Geduld

Der Psychoanalytiker Arno Grün sieht den Selbsthass im unbewussten Verrat an uns selbst, der uns letztlich demütigt und zur Verachtung gegenüber uns selbst führt. Dies macht es auch so schwierig, uns selbst zu verzeihen.

Verzeihung meint, dass ich würdigen kann, Täterintrojekte ausgebildet zu haben, weil diese unser Überleben sicherten. Wir benötigen Geduld, Empathie und Mitgefühl für uns selbst. Die Realität und Gewalt waren damals so schlimm, dass wir gar nicht anders konnten. Dieser Prozess ist zu Beginn extrem schmerzhaft, weil wir erkennen, dass uns großes Leid und Unrecht zugefügt wurden.

Im Selbsthass steckt allerdings auch eine Kraft und Stärke. Er weist uns darauf hin, wie schlecht die ursprünglichen Täter*innen mit uns einst umgegangen sind. Dieser Hass ist ein emotionaler Flashback. Daher ist es hilfreich, sich selbst zu regulieren und sich immer wieder im Heute zu orientieren, um innere Sicherheit herzustellen.

Dieser Hass ist eigentlich die Störung und das Trauma unserer Bezugspersonen bzw. Eltern und ist dort zu verorten.


Fazit:

Menschen, die schwere seelische, körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt haben, entwickeln oft Täterintrojekte. Eine Seite in mir ist den Täter*innen extrem loyal und wendet sich immer wieder gegen mich selbst.

"Täterintrojekt" meint, die Verinnerlichung des Täters/der Täterin und der Peiniger in das Innerste des Opfers. Täterintrojekte sind ein Coping- und Überlebensmechanismus auf eine unerträgliche Situation, damit das Opfer weniger an Hilflosigkeit, Todesangst und Ohnmacht fühlen muss. Später verselbständigen sich diese Täterintrojekte, wenn sie nicht mehr notwendig sind und dennoch ein perverses Eigenleben führen. Sie werden zu einer malignen Instanz im erwachsenen Menschen.


Täterintrojekte bilden sich in der frühesten Kindheit aus, in der vorsprachlichen Phase unseres Lebens, an die wir uns nicht bewusst erinnern können. Diese Introjekte sind präverbal und können nicht durch unsere Vernunft erreicht werden. Vielmehr sind sie an starke emotionale Prozesse gekoppelt, die Hilflosigkeit, Hass und Selbsthass auslösen.

Nicht verwechselt werden dürfen "Täterintrojekte" mit inneren Kritikern. Diese sind etwas sehr Alltägliches, und jeder Mensch kennt das leicht neurotische Phänomen, dass wir manchmal zu streng mit uns selbst ins Gericht gehen.


Gegen Täterintrojekte anzugehen kostet viel Übung, Kraft und Energie. Zudem lasse ich mich auch schlecht und gewaltvoll behandeln und gerate in gefährliche Situationen, in denen ich wieder Opfer von Gewalt werde (Reviktimisierung). Ich fühle dann meinen Wert nicht, der mir helfen könnte, gut und selbstfürsorglich mit mir umzugehen und mich zu schützen.


Beachte: „Täterintrojekt“ ist lediglich eine Realitätskonstruktion und ein Bild bzw. eine Metapher. Doch das Wort ist eine durchaus unglückliche Metapher, da sie vielen Menschen eher schadet. Sie wird oft so absolut und verdinglichend gebraucht, als ob man ein Virus in sich hätte. Der Begriff weckt Assoziationen mit Besessenheit und Exorzismus.

"Täterintrojekt" kennt in keiner Weise die Überlebenskompetenz und den gesunden Selbstschutz der Opfer an. Zudem darf es in einer modernen Traumatherapie niemals darum gehen, abwertende Seiten zu meucheln oder zu bekämpfen, sondern diese zu würdigen und zu utilisieren.


Vielmehr handelt es sich bei diesem Phänomen um eine hohe Kompetenz und Loyalitätsleistung (Gunther Schmidt), um noch ein wenig an Liebe und Zuneigung von den Täter*innen zu bekommen und damit zu überleben. Ich übernehme also in loyaler Weise das Wertsystem der Täter*innen und bin damit hoch kompetent. Täterloyale Seite sind deshalb in der Therapie immer zu würdigen, bevor sie distanziert und utilisiert werden können.


Ich biete Traumatherapie bei (komplexen) Posttraumatischen Belastungsstörungen an. Bei geringem Einkommen gibt es bei mir auch kostenlose Psychotherapieplätze (Regelung für wirtschaftlich Schwache) über die ÖGK-Salzburg oder die BVAEB Salzburg.

Erklärvideo von Dami Charf: "Täterintrojekt - die übernommene Selbstabwertung"

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