Meine eigene Wut und Aggression als Mensch und Psychotherapeut

Florian Friedrich • 23. Oktober 2025

Wut, Ärger und Aggression in der Psychotherapie

Im Rahmen meiner bindungsorientierten Psychotherapie trainiere ich mit meinen Patient*innen, ihre aggressiven Emotionen (etwa Wut, Ärger, Zorn, Empörung, Trotz und Hass) zu akzeptieren, auszuhalten, um dann einen gesunden, konstruktiven und erwachsenen (personalen) Umgang damit zu finden. Denn jede Emotion erfüllt eine wichtige, sinnstiftende Funktion und hat einen Hinweischarakter, wie ich es in diesem Artikel: "Probleme mit Aggression: Wut, Zorn, Empörung und Hass" beschreibe.


Lesen Sie in diesem Beitrag über meine eigene Wut und Aggression in der Psychotherapie.

Meine eigene Wut und Aggression als Mensch und Psychotherapeut

Zudem vermittle ich, dass wir uns an Streitigkeiten und gemeisterten Konflikten weiterentwickeln können. Sie sind wie das Salz in der Suppe.

Vergreife ich mich in meinen Tonfall, meiner Wortwahl oder werde psychisch gewaltvoll, so kann ich mich dafür entschuldigen und Wiedergutmachung leisten, ohne dabei zu Kreuze zu kriechen.


Auch als Psychotherapeut spreche ich zum richtigen Zeitpunkt meine eigenen aggressiven Emotionen an, die meine Patient*innen in mir auslösen. Dies ist vor allem bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen und schweren Traumafolgestörungen notwendig, die meist nicht spüren, wenn sie meine Grenzen als Therapeut überschreiten, verletzen oder mich und meine zeitlichen Ressourcen missbrauchen. In der Regel fühlen sie auch selbst nicht, wenn andere Menschen sie ausnutzen, emotional missbrauchen oder ihre Grenzen verletzen.

Als beziehungsorientierter Psychotherapeut gebe ich zudem meine Meinung und mein Statement ab, wenn sich meine Klient*innen in zwischenmenschlichen Beziehungen, Freundschaften und Partnerschaften verfehlen, übergriffig oder unmöglich verhalten. Psychotherapie bedeutet nicht, dass ich streichle und nur Nettigkeiten von mir gebe. Dies würde meine Patienten nicht weiterbringen.

Wut teile ich nur konstruktiv auf erwachsener Ebene mit, also ohne Angriff. Meine Mitteilung verstehe ich als eine Einladung, die Beziehung und den Kontakt zu vertiefen und gesunde Bindungsstile zu erproben.

Diese bestimmte, personale Haltung ist mir wichtig, weil ich sonst eine Rolle spielen würde, nämlich die Rolle des Psychotherapeuten, der über allem schwebt. Dies wäre ein Possenspiel und hat nichts mit bindungsorientierter Therapie zu tun.

Filmtipp: "„Die Wut begleitete mich ständig!“ – Wie Niklas lernt, seine Wut anzunehmen"

Fühle ich mich etwa von einem komplex traumatisierten Klienten missbraucht und in die Opferrolle gedrängt, so teile ich ihm konstruktiv und zum richtigen Zeitpunkt meinen Zorn mit, weil ich oft der einzige Interaktionspartner in seinem Leben bin, der dies tut und die Psychotherapie einen sicheren Rahmen dafür bietet.

Traumatisierte Menschen geben rasch die erlittene Gewalt auch an mich als Psychotherapeuten weiter, werden dann (meist völlig unbewusst) selbst zu Täter*innen, weshalb ich hier dann mit Bedacht und konstruktiv meine Emotionen, Resonanzen und Gegenübertragungen mitteile, um auf diese Weise aus der Täter-Opfer-Dynamik auszusteigen und Wege aufzuzeigen, die auch dem Patienten/der Patientin helfen könnten.


Es war für mich ein schwieriger Teil und eine herausfordernde Entwicklungsaufgabe in meiner eigenen Psychotherapie / Lehrtherapie und Lehrsupervision, meine Aggressionen nicht zu überspielen und den unnahbaren, über allem stehenden weisen Therapeuten zu mimen, sondern als Psychotherapeut und Mensch echt und personal zu bleiben: ein authentisches Gegenüber, das seinen Klient*innen und Patient*innen Reibungsfläche, Realitätsprüfung und Schneid vermittelt.


Meine Patient*innen lernen dadurch, dass Ärger, Wut und Zorn einerseits sein dürfen und dass wir sie aushalten können, um einen guten und personalen Umgang damit zu finden, dass wir aber andererseits auch in einer echten und lebendigen Beziehung durch dieses sich-Mitteilen, Öffnen und Zeigen bleiben.

Selbstverständlich sind hier Timing und Fingerspitzengefühl immens wichtig und ich stelle mir als Therapeut die Frage, was ich mir bei meinen Klientinnen leisten darf, ohne die Beziehung zu gefährden.


Diese Konfrontation mit meiner eigenen Aggression ist m.E. dosiert wichtig, weil Rückmeldungen im Therapieprozess und auf der Ebene der Beziehung und Interaktion zur Weiterentwicklung verhelfen. Konflikte und Grenzen gehören eben zu zwischenmenschlichen Beziehungen dazu, können ausgehalten und bewältigt werden und uns sogar weiterbringen. An Konflikten und deren konstruktiver Meisterung können wir als Personen und im Leben wachsen.


Diese Konfrontation hält allerdings nicht jeder*r aus. Ich bin hier als Psychotherapeut immer wieder gefordert, dies radikal zu akzeptieren, etwa dann, wenn ich einer Patientin meine Wut konstruktiv mitteile, diese das nicht aushält und dann die Psychotherapie abbricht. Manche Menschen halten Veränderungen, Konflikte, Verärgerungen und personale Mitteilungen eben nicht aus. Auch Trennungen, Distanz und Beziehungsabbrüche können wir dann annehmen und akzeptieren.

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