Mag. Florian Friedrich, BA

Psychotherapeut (Existenzanalyse)

in Salzburg / Hamburg


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Homosexualität: Was kann mir helfen, mich selbst zu akzeptieren?

Florian Friedrich • 3. Mai 2023

Auch Schwule, Lesben und Bisexuelle sind homophob

Kein Mensch ist völlig frei von Homonegativität bzw. Homophobie. Wir alle haben Tendenzen dazu, so auch LGBs (schwule Männer, lesbische Frauen und bisexuelle Menschen). 


Lesen Sie in diesem Artikel, was Ihnen helfen kann, sich selbst zu akzeptieren.

Homosexualität: Was kann mir helfen, mich selbst zu akzeptieren?

Warum sind wir alle homophob?

Der Grund dafür liegt darin, dass wir von klein auf mit heterosexuellen Normen erzogen und sozialisiert werden. Viele Menschen lernen zudem, dass Homosexualität und Bisexualität etwas Abnormales, Minderwertiges und Ekelhaftes seien. Es gibt noch immer viel zu wenige Kinderbücher, Kinderserien, Theaterstücke für Kinder und andere Medien, in denen Regenbogenfamilien, homosexuelle Paare, Patchworkfamilien, geschiedene Eltern oder trans*idente Charaktere (Personen, die transgender, transident, transsexuell, genderfluid, queer gender, nicht binär oder divers sind) als Protagonist*innen auftreten. Alles Gleichgeschlechtliche und Queere ist hier noch immer ein Tabu, und Kinder und Jugendliche übernehmen diese Tabuisierungen und heterosexuellen Normen.


Verinnerlichte Homonegativität gefährdet die Gesundheit

Auch Personen, die homosexuell und bisexuell sind, lernen und verinnerlichen diese Normen und fühlen sich dann selbst krank, pathologisch, sündhaft, ekelig, abstoßend, minderwertig, ängstlich und voller Scham für ihre sexuelle Orientierung. Der Feind ist dann in den eigenen Reihen und ich kämpfe (nicht selten mein ganzes Leben lang) gegen meine innersten authentischen Bedürfnisse und gegen mich selbst. Dies kostet extrem viel an Stärken, Ressourcen und Lebensenergie, und ich bin dann in meiner psychischen und körperlichen Gesundheit sehr gefährdet. Ich finde nur schwer zu meiner authentischen, integren Persönlichkeit und entwickle ein mangelhaftes Gefühl für meine eigene Identität.



Schwule und lesbische Neonazis wegen internalisierter Homophobie

Menschen, die unter verinnerlichter Homophobie bzw. Homonegativität leiden, tun alles, um nur ja nicht als homosexuell/bisexuell erkannt zu werden. Mitunter überkompensieren sie diesbezüglich und verhalten sich dann „männlicher“ als jeder Mann bzw. „weiblicher“ als jede Frau und spielen so sehr ein heterosexuelles, straightes Klischee, dass es schon wieder verdächtig und auffällig ist. Sie gehen homosexuellen Menschen aus dem Weg und mimen heterosexuelle Menschen. Ein schwuler Mann macht dann etwa Frauen Komplimente und verhält sich mitunter ihnen gegenüber heterosexistisch, eine lesbische Frau zwingt sich zu einer Partnerschaft mit einem Mann und zum vaginalen Geschlechtsverkehr, obwohl sie dabei Angst, Schmerz, Enge und Ekel fühlt. Manche Personen werden sogar zu Neonazis und verfolgen, schlagen und diskriminieren andere LGBs.

Mein Filmtipp: "Männer, Helden und schwule Nazis" (2005)

Rosa von Praunheims Dokumentation über schwule Neonazis - das Paradebeispiel für ein falsches Selbst.


Ständige Vermeidung und ein falsches Selbst

Die unter Homonegativität leidenden Menschen sprechen nicht einmal in ihrer Familie oder in ihrem engsten Freundeskreis über ihre sexuelle Orientierung und über ihre Bedürfnisse nach Liebe, Partnerschaft und Sexualität. Sie tabuieren ihre sexuelle Orientierung auch bei medizinischen Untersuchungen, in Psychotherapien oder Gesundheitseinrichtungen, obwohl es gerade hier essentiell wichtig wäre, darüber zu reden. Sie sprechen oft davon, dass sie lieber „normal“ und „heterosexuell“ wären, d.h. sie fühlen sich selbst als abnormal und pervers. Eine selbstsichere, selbstbewusste Identität kann sich aufgrund des ständigen Vermeidungsverhaltens und der Ausbildung eines falschen Selbsts nicht entwickeln.


Warum halten homosexuelle Partnerschaften nicht so lange?

Zudem halten LGBs aufgrund ihrer verinnerlichten Homonegativität/Homophobie ihre Beziehungen und Partnerschaften häufiger geheim und schämen sich ihrer. Dies kann eine Partnerschaft massiv belasten und zu einer früheren Beendigung derselben führen. Verinnerlichte Homonegativität/Homophobie und Traumatisierungen aufgrund von psychischer Gewalt und Diskriminierungen (Minderheitenstress) sind gewichtige Gründe, weshalb gleichgeschlechtliche Partnerschaften instabiler sind und nicht so lange halten wie heterosexuelle Beziehungen. Auch leiden homosexuelle und bisexuelle Menschen aufgrund von Verfolgung und Diskriminierung häufiger unter Depressionen, Ängsten oder posttraumatischen Belastungsstörungen bzw. Traumafolgestörungen als heterosexuelle Menschen. All das sind wiederum schlechte Voraussetzungen für eine stabile, erfüllte und zufriedene Partnerschaft.

Es würde dann an Menschen bedürfen, die mich in meiner Identität und mit meinen Orientierungen so lieben, annehmen und unterstützen, wie ich eben bin, sodass ich in meiner Identität nachreifen kann.


Internalisierung schädlicher Normen finden sich auch bei anderen Minderheiten

Die Verinnerlichung von schädlichen und giftigen Normen lassen sich übrigens auch bei anderen Minderheiten beobachten: Man denke etwa an den farbigen verstorbenen Popstar Michael Jackson, der alles tat, um wie ein weißer Mann auszusehen.

Zudem bevorzugen afroamerikanische Kinder Puppen mit heller Hautfarbe gegenüber solchen mit dunkler.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bleichen drei von vier nigerianischen Frauen ihre Haut mit rezeptfreien, schwer gesundheitsschädigenden Hautmitteln, um eine hellere Haut zu bekommen. In Togo tun dies 59 Prozent aller Frauen und in in Südafrika jede dritte Frau. Die Bleichmittel können zu schweren, irreparablen Hautschäden führen, mitunter auch zu bösartigen Krebserkrankungen.


Selbstliebe und Selbstakzeptanz

Was kann mir helfen, meine Homosexualität/Bisexualität besser anzunehmen?

In der Psychotherapieschule der Logotherapie und Existenzanalyse sprechen wir von der PERSON, der inneren Stimmigkeit, dem Gewissen, wenn wir unseren Handlungen und Verhaltensweisen mit ganzem Herzen zustimmen können. Es stimmt dann im tiefsten Innersten, wir schwingen mit uns selbst mit und geben uns ein inneres „Ja!“. Die Person (bzw. das Gewissen) ist auch vernünftig, anleitend, wertschätzen, mitfühlend und liebend. Sie gibt mir Kraft, schiebt mich an, durchdringt mich, ist oft ein innerer Widerpart zu äußeren Schwierigkeiten (etwa zu Homophobie und zu Homonegativität), ist immer im Dialog mit mir und führt mich zum inneren Erleben: „Das bin wirklich ich“.
In anderen Psychotherapierichtungen gibt es das Bild vom inneren „
Wissen“ dem „Selbst“ oder der „Inneren Weisheit“, die zu uns sprechen und wissen, was uns gut tut.


Die Person sagt, was für mich jetzt das jeweils Richtige ist. Dabei spricht das Gewissen bzw. die Person oft viel subtiler und leiser zu mir als es etwa das Über-Ich tut, das mich mitunter mit schweren Schuldgefühlen malträtiert, wenn ich gegen soziale Normen verstoße. Ich muss dann in mich sorgfältig hineinspüren: So kann ich etwa Schuldgefühle empfinden, wenn ich meine Homosexualität auslebe (Über-Ich, Verstoß gegen religiöse, soziale oder kulturelle Normen), obwohl mein Gewissen (die Person) zu mir ganz leise spricht, dass meine Homosexualität/Bisexualität für mich gut und stimmig ist und ich mich selbst verfehlen würde, wenn ich meine sexuelle Orientierung nicht frei ausleben, sondern sie unterdrücken würde. Ich könnte dies dann eines Tages bereuen.

 

Fragen, die mir helfen können, mit meiner Person bzw. meinem Gewissen in einen Dialog zu treten, können etwa sein:

  • Wenn Du morgen aufwachst und es ist ein Wunder geschehen, wie würdest Du deine Homosexualität/Bisexualität leben?
  • Was würdest Du dann körperlich spüren (im Muskeltonus, in und auf der Haut, in der Atmung)?
  • Welche Emotionen würden in Dir hochkommen?
  • Was würdest Du dann anders machen?
  • Wie würdest Du leben, wenn Dich alle Menschen unterstützen würden?
  • Was würde ich tun, wenn ich mehr Mut hätte?
  • Wenn ich alt wäre, wie müsste ich gelebt haben, um es nicht zu bereuen? Was dürfte dann nicht zu kurz gekommen sein? Was könnte ich bereuen?
  • Wie würden andere Menschen es bemerken, dass Du auf einmal authentisch Deine Sexualität auslebst?
  • Wie würde so ein Tag aussehen, an dem Du ganz authentisch Deine sexuelle Orientierung leben könntest?
  • Gibt es jetzt schon Möglichkeiten, mehr und authentischer Deine sexuelle Orientierung auszuleben?
  • Was wären erste, ganz kleine Schritte auf meinem stimmigen, richtigen Weg?


Die eigene Homosexualität/Bisexualität authentisch ausleben können

LGBs erleben sich auf körperlicher Ebene auf einmal wie befreit, also weicher, freier, gelöster, fließender, wenn sie authentisch ihre Homosexualität/Bisexualität ausleben können. Die Atmung wird mitunter tiefer und langsamer (Zwerchfellatmung, Bauchatmung), die Muskeln lockern und entspannen sich. Auf emotionaler Ebene spüren LGBs Emotionen wie Glück, Freude, Erleichterung, Zuversicht, Hoffnung, Selbstbewusstsein, Selbstachtung, Stolz, Liebe und Selbstbewusstsein.


Hingegen fühlen sich LGBs, die ihre Identität bzw. sexuelle Orientierung unterdrücken, bedrückt. Enge, innere Verhärtungen der Organe und der Tiefenmuskulatur, Stresssymptome, Verspannungen in Hals und Nacken, Migräne, ein erhöhter Puls, Muskelverspannungen, Druckgefühle und Anspannungen machen sich körperlich bemerkbar. Die Atmung wird gepresster und flacher bis hin zur Atemnot. Emotionen wie Angst, Verzweiflung, Selbsthass, Ekel vor sich selbst, Hoffnungslosigkeit, innere Leere, Wut und Trauer können sich einstellen.


Die sexuelle Orientierung offen zu leben ist schwer

Das Richtige, Authentische, Gewissenhafte und Personale zu leben ist dennoch oft schwierig. So kann ich z.B. Widerstände oder Diskriminierung erleben, wenn ich offen als LGB lebe, obwohl es im tiefsten Innersten für mich stimmt. Ich bin mir dann selbst treu, gehe mit mir selbst gut um und lebe innerlich frei, erlebe aber dennoch psychische Gewalt und Diskriminierungen vonseiten der Gesellschaft, dem Außen.

Letztlich sollten wir uns aber immer vor Augen halten, dass unsere Lebenszeit endlich ist, damit wir nicht am Ende unseres Lebens voller Reue zurückblicken und dabei erkennen müssen, dass wir nie echt, personal und authentisch gelebt haben. Wir sollten uns nicht verfehlen, sondern uns selbst ernst nehmen und ernst machen mit dem eigenen Sein. Das hat immer Dringlichkeit.


Hier können mir auch folgende Fragen zur Selbsterfahrung helfen:

  • Die paradoxe Frage: Was müsste ich tun, um in der Stunde meines Todes mein ganzes Leben so richtig zu bereuen und zu sagen: „Ja, das war ein richtig verpatztes Leben. Ich habe es nie für mich selbst gelebt.“
  • Was würde ich tun, wenn ich so richtigen Löwenmut hätte? Wie würde ich dann leben?
  • Welche drei Dinge würde ich tun, wenn heute mein letzter Tag wäre?
    Welche drei Dinge würde ich tun, wenn ich noch ein halbes Jahr zu leben hätte?
  • Was bedeutet es, gut mit mir selber umzugehen? Was könnte ich dann ganz konkret anders machen?
  • Welche Menschen nehmen mich so an wie ich bin und unterstützen und fördern mich in meiner Einmaligkeit und meinem Sosein?
  • Spüre ich im tiefsten Innersten, dass es so richtig ist, wie ich jetzt gerade lebe? Spüre ich, dass es mein Leben ist?
  • Passe ich mich im Alltag zu sehr an, gebe mich selbst immer wieder auf oder lasse mich selbst im Stich? Oder werde ich mir selber nicht gerecht, spiele eine soziale Rolle, täusche etwas vor, weil ich Angst habe vor Beschämungen, Verletzungen, vor der Öffentlichkeit?
  • Darf ich mich so sehen lassen, wie ich wirklich bin? Kann ich dem Blick der anderen standhalten?
  • Wenn nein: Was lässt mich dem Blick von mir oder dem der anderen nicht standhalten? Könnte ich es nicht trotzdem zumindest einmal aushalten, zu mir selbst zu stehen und wieder zu mir selbst finden?
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