Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
Mail: florian.friedrich@psychotherapie-salzburg.de
Adressen: Innsbrucker Bundesstraße 47
und Fürstenallee 9
5020 Salzburg
Österreich
Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
in Salzburg / Hamburg
Wichtig: Ich kann erst ab Anfang Februar 2025 wieder freie Plätze und Erstgespräche anbieten.
Menschen, die asexuell sind, spüren keine oder kaum Lust auf Sexualität, wobei hier Sexualität breit verstanden wird, also neben Geschlechtsverkehr auch Küssen, Petting, Oralverkehr, Analverkehr, BDSM, Frottage, Selbstbefriedigung. Es gibt jedoch viele Zwischenstufen auf dem Kontinuum zwischen sexuellen Bedürfnissen und Asexualität. So finden sich unter asexuellen Menschen Personen, die zwecks Kinderwunschs mit ihren Partner*innen Geschlechtsverkehr haben. Auch finden sich asexuelle Menschen, die keine Lust auf Sex mit anderen Menschen verspüren, sich jedoch selbst befriedigen und asexuelle Personen, die nicht einmal das Bedürfnis nach Selbstbefriedigung fühlen.
Asexuelle Menschen verlieben sich in andere Menschen und können schwul, lesbisch, bi, hetero oder pan sein. Das heißt, dass viele asexuelle Menschen eine romantische Partnerschaft führen möchten bzw. führen und ihre Partner*innen auch lieben, aber eben keine Lust auf Sexualität (Libido) verspüren. Viele asexuelle Menschen bevorzugen den Begriff „Romantik“ und sprechen von „Heteroromantik, Homoromantik, Panromantik oder Biromantik“.
Wie immer ist auch Asexualität ein buntes und vielfältiges Phänomen. Schätzungen zufolge sind etwa ein Prozent aller Menschen asexuell. Allerdings gibt es keine aktuellen aussagekräftigen Studien. Asexualität ist somit ein Forschungsdesiderat – vermutlich, weil das Phänomen ein Tabu in einer leistungsorientierten, übersexualisierten Gesellschaft darstellt.
Lange Zeit war das Thema Asexualität nicht in den Medien präsent. In der Psychologie und Psychotherapie wurde (und wird) Asexualität sogar als eine psychische Auffälligkeit und Erkrankung dargestellt. In der Psychologie existiert nach wie vor das Dogma, dass jeder Mensch sexuelle Lust haben müsse, um psychisch gesund zu sein.
Asexualität wird in den letzten Jahren immer mehr diskutiert. Dies mag daran liegen, dass asexuelle Personen einen starken gesellschaftlichen Druck zu spüren bekommen, sich „normal“, d.h. sexuell zu verhalten. Dieser Druck erzeugt Gegendruck und bewegt asexuelle Menschen, sich zu solidarisieren, sich zu organisieren und Netzwerke zu bilden. Auch in Schulklassen mache ich als Sexualpädagoge immer wieder die Erfahrung, dass Asexualität junge Menschen beschäftigt und bewegt.
Oft wird der Begriff „asexuell“ falsch verwendet. So darf etwa die mangelnde Gelegenheit zur Sexualität oder freiwillige Enthaltsamkeit nicht mit Asexualität verwechselt werden. Auch das Bedürfnis, nur Sex mit Menschen zu haben, die mir sehr vertraut sind, hat nichts mit Asexualität zu tun.
Sexuelle Funktionsstörungen (Erektionsschwächen, ein vorzeitiger oder verzögerter Orgasmus, Scheidenkrampf, mangelnde Libido, Schwierigkeiten beim Orgasmus, Schmerzen beim Sex u.v.m.) haben rein gar nichts mit Asexualität zu tun. Hierfür gibt es vielfältige paardynamische, individualpsychologische, somatische und gesellschaftliche Ursachen, die oft komplex ineinandergreifen. Auch Schüchternheit, Gehemmtheit oder Scheu vor Sexualität sind nicht mit Asexualität gleichzusetzen.
Das Phänomen Asexualität ist zwar ein sehr altes, allerdings wird es erst in den letzten Jahren medial diskutiert.
Asexuelle Menschen haben normalerweise von Kindheit an keine oder kaum sexuelle Bedürfnisse, und es fällt asexuellen Menschen bereits in der Pubertät auf, dass sie anders als ihre Peers empfinden. Allerdings ist Asexualität keine Phase, die irgendwann wieder vorbei geht, sondern sie besteht dauerhaft. Auch nicht-asexuelle Menschen erleben Zeiten oder Lebensphasen, in denen sie keine oder kaum Lust auf Sexualität spüren, allerdings bleibt ihre Libido im Kern erhalten und meldet sich immer wieder.
Asexuellen Menschen fällt es nicht leicht zu erklären, was sie fühlen, weil sich die Abwesenheit eines sexuellen Bedürfnisses schwer in Worte fassen lässt. Sie empfinden aber Druck, Stress, Verkrampfungen, Anspannung und körperliche Enge, wenn sie sich selbst zum Sex zwingen. Hingegen wird es für sie freier, körperlich erleichternder, fließender, muskulär lockernder und emotional stimmiger wenn sie ihrem Bedürfnis nachgehen können, wie etwa Kuscheln und Zärtlichkeiten, ohne dass sie die Erwartung an sich selber haben, Sex haben zu müssen. Dieses Spüren ist subjektiv und damit immer richtig.
Allerdings gibt es Menschen, bei denen sich Asexualität erst im Laufe des Lebens entwickelt. Die Sexualität lässt sich zwar nicht bewusst erlernen, es gibt jedoch Entwicklungsprozesse. Manche Menschen spüren in jüngeren Jahren noch sexuelle Bedürfnisse und entwickeln sich dann dauerhaft asexuell oder auch umgekehrt. Dies lässt sich u.a. mit der Plastizität unseres Gehirns erklären.
Sexualität ist nicht nur ein Trieb (Sigmund Freuds Triebtheorie und Triebmodell ist zwar immer noch populär, allerdings schon lange überholt), sondern unterliegt Lern- und Entwicklungsprozessen. Wie wir Sexualität leben, worauf wir sexuell stehen, wer unser Typ ist und was wir als lustvoll erleben, unterliegt Prozessen der Sozialisation, der Kulturation und des Zeitgeistes. Hier ist allerdings anzumerken, dass Sexualität zwar der Sozialisation unterliegt, es aber nicht möglich ist, Menschen zur Sexualität oder Asexualität bewusst zu erziehen.
Drei asexuelle Menschen erzählen aus ihrem Leben.
Ein sexuell traumatisierter Mensch hat normalerweise Lust auf Sex, allerdings hat sich bei ihm häufig das sexuelle Trauma fest in den Körper und die Psyche eingeschrieben. Kommt es dann während sexueller Handlungen zu Auslösereizen, zu so genannten „Triggern“, so erinnern sich Körper und Psyche schlagartig an das sexuelle Trauma. Der Körper versteift sich dann, wird starr, völlig angespannt, es kommt zu einem körperlichen Totstellreflex, Einfrieren („Freeze“) oder Fluchtimpulsen und emotionaler Überflutung. Emotional erleben die betroffenen Menschen Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, Ohnmacht bis hin zu Todesangst. Es wird ersichtlich, dass dieser Trauma-Zustand nicht mit sexueller Lust, Leidenschaft und Begehren einhergehen kann. Das sexuelle Trauma kann dann verschiedene Symptome bewirken, etwa einen Scheidenkrampf, massive Schmerzen in den inneren oder äußeren Geschlechtsorganen, Schmerzen im ganzen Körper, körperliche Schockzustände und verständlicherweise keine Libido.
Übrigens: Heterosexuelle Männer erleben sexualisierte Gewalt eher selten. Homo- und bisexuelle Männer hingegen werden häufiger Opfer von sexueller Gewalt, allerdings ist sexualisierte Gewalt unter Männern ein großes Tabu und führt dazu, dass die männlichen Opfer ihren Missbrauch verschweigen.
Asexuellen Männern und Frauen wird gerne unterstellt, dass sie an einer psychischen Erkrankung leiden. Dies wurde auch von der modernen Psychotherapie und Psychologie bis in die Gegenwart immer wieder behauptet. Auch die Psychologie ist nämlich nicht frei von der Gefahr, Konstrukte von Normalität zu wenig zu hinterfragen und zu dekonstruieren. So galten bis in die 1980er Jahre Sex vor der Ehe, Masturbation, Polygamie, Homosexualität, Bisexualität, Analverkehr und Oralverkehr in vielen Psychotherapieschulen als schwere psychische Erkrankungen. Asexualität wird in der Psychologie mitunter fehldiagnostiziert oder gar nicht erkannt. Eine vorübergehende sexuelle Lustlosigkeit innerhalb einer Partnerschaft hat z.B. nichts mit Asexualität zu tun.
Romantische Liebe und sexuelles Begehren sind in den letzten 100 Jahren stark miteinander verknüpft. Kommt es in der Sexualität zu Schwierigkeiten, so löst dies in der Regel massive Kränkungen bei den Partner*innen aus und beide Partner*innen machen sich Vorwürfe. Auf diese Weise können schwierige paardynamische Teufelskreise entstehen, welche eine freie und lustvolle Sexualität erschweren oder ganz unmöglich machen (Kränkung- Vorwürfe – Abwertungen – Schuldgefühle- noch größere Kränkung – noch mehr Vorwürfe und heftigere Abwertungen).
Ist jemand mit einem/einer asexuellen Partner*in zusammen, so muss sich der/die nicht-asexuelle Partner*in damit abfinden – oder auch nicht. Die Lösungswege können höchst unterschiedlich sein. Manche Partner*innen verzichten dann ganz auf Sexualität, manche gehen heimlich fremd, manche Partner*innen öffnen ihre Partnerschaft und leben polygam oder polyamor. Manche Partner*innen trennen sich auch oder definieren ihre Partnerschaft als platonisch.
Menschen ihre Asexualität auszureden oder ihnen zu vermitteln, dass ihre Gefühle falsch seien ist emotionaler Missbrauch und psychische Gewalt. Asexualität ist noch immer ein Tabuthema und Bedarf der Sensibilisierung und medialen Aufklärung. Peers, Pädagog*innen und helfende Berufsgruppen sollten gut über die verschiedenen Spielarten der Sexualität bzw. Asexualität aufgeklärt werden. Vertrauenspersonen können asexuelle Menschen unterstützen, indem sie sie bestärken, bekräftigen und ihnen spiegeln, dass ihre Gefühle und Bedürfnisse stimmen und so richtig sind, wie die betroffenen Menschen sie spüren. Manchmal reicht es auch einfach aus, offen zu sein und für asexuelle Menschen, ihre Nöte und Sorgen da zu sein, ein*e Ansprechpartner*in zu sein und Rückenstärkung zu geben. In einer hypersexualisierten sexuellen Leistungsgesellschaft ist dieser wohlwollende Blick auf Asexualität immens wichtig. Auch die Sexualtherapie und Psychotherapie sollten sich hier immer wieder selbstkritisch prüfen.
Wir können uns dem sexuellen Leistungsstress oft nur schwer entziehen, und es gibt nur wenige Menschen, die sexuell frei und unbefangen sind. Viele Menschen haben im Hinterkopf, dass sie mehr Sex haben sollten, möglichst viele Sexualpraktiken beherrschen müssten. Das in-sich-Hineinspüren (emotional, körperlich), wie viel Sex ich überhaupt selber brauche und möchte und wann es für mich stimmig ist, ist vielen Personen fremd.
Innerhalb relativ kurzer Zeit hat sich unsere sexuelle Kultur von einer Kultur der Verbote, der Schuld und Beschämung zu einer Kultur des Leistens und Müssens entwickelt. Noch vor 50 Jahren machte man Menschen Angst, wenn sie zu oft Sex praktizierten, heute muss man möglichst oft, viel und variantenreich, mit möglichst vielen Techniken, Tricks und Praktiken Sex haben. Beides ist Zwang, beides macht unfrei und beide Haltungen sind hoch repressiv. Dies bekommen asexuelle Menschen besonders stark zu spüren.
Gerade die Psychotherapieschule der
Existenzanalyse nimmt Menschen mit ihren Emotionen, Gefühlen und Bedürfnissen immer ernst. Es geht um das Finden und Bergen der authentischen (personalen) Bedürfnisse, um das Spüren des Eigenen und Wertvollen im Leben. Gerade im Bereich der Sexualität, trans*Identität, der sexuellen Orientierungen und der sexuellen Identitäten liefert sie einen wertvollen Zugang, um Menschen zu helfen, zu sich selbst zu finden und ihnen ein authentisches Leben zu ermöglichen. Es geht darum, sich nicht zu sehr von Außen beeinflussen zu lassen und fremdbestimmt zu leben, sondern zu spüren, was mein Eigenes ist und wie ich authentisch (natürlich immer mit Rücksicht auf die Freiheit und Grenzen der anderen) meine eigenen Bedürfnisse, etwa das Bedürfnis nach Aromantik oder Asexualität, leben kann. Dieser Weg kann schwierig und schmerzhaft sein, immerhin sind asexuelle Menschen eine Minderheit. Langfristig wird es aber immer leichter, wenn ein Mensch beginnt, zu sich selbst zu stehen und er selbst zu werden.