Mag. Florian Friedrich, BA

Psychotherapeut (Existenzanalyse)

in Salzburg / Hamburg


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Trans*Identität - Wie bekomme ich ein positives Gutachten?

Florian Friedrich • 9. Juni 2023

Die Angst davor, dass das Gutachten negativ ausfällt

Viele trans*idente (transgender, transsexuelle, nicht binäre, diverse, genderfluide, polygender, agender) Menschen haben Angst, von Gutachter*innen und Psychotherapeut*innen nicht ernst genommen zu werden und dass ihr Gutachten negativ ausfällt. Diese Stellungnahmen bzw. Gutachten sind für Hormontherapien und chirurgische Maßnahmen erforderlich und unabdingbar.

Lesen Sie in diesem Artikel, wie Sie ein positives Gutachten bekommen.

Trans*Identität - Wie bekomme ich ein positives Gutachten?

Was muss ich tun, um bei Ihnen eine positive Stellungnahme ("Gutachten") zu bekommen?

Sie müssen gar nichts tun. Ich habe einen psychotherapeutischen (existenzanalytischen) Ansatz, der sich ethisch dazu verpflichtet, Ihre Gefühle, Ihre Bedürfnisse und Ihr authentisches Spüren immer ernst zu nehmen.

Es geht somit um das Sein, um Ihre Bedürfnisse und Ihr Selbsterleben und nicht um das Leisten.

Ich sage meinen trans*Klient*innen oft, dass wir nicht in der Schule sind und dass es auch nicht darum geht, mir Antworten zu geben, von denen trans*Menschen denken, dass ich sie hören möchte. Ein Gutachten bzw. eine positive Stellungnahme ist nämlich keine Prüfungssituation, und ich bin kein Lehrer, den Sie überzeugen müssen.

Letztlich können immer nur Sie selbst spüren, ob Sie trans* sind oder nicht. Ich selber kann in meiner Resonanz oder Gegenübertragung nur spüren, ob Sie einen guten Zugang zu Ihren Bedürfnissen und zu Ihrer Identität haben.


Ein Beispiel

Ein biologischer Mann kommt in meine Praxis, der nach außen wie ein cis-Mann wirkt. Als ich ihn begrüße und ihn in meine Praxis bitte, spüre ich auf einmal eine ganz starke Ausstrahlung von Weiblichkeit. Die Klientin erzählt mir dann, dass sie sich als Frau fühle, dass sie aber noch im biologischen Geschlecht lebe, weil sie Angst vor Diskriminierung habe und nicht geoutet sei. Noch bevor sie mir das sagte, hatte ich eine ganz starke Resonanz ihrer Weiblichkeit gespürt.


Etwas vorzutäuschen ist nicht notwendig

Es geht somit nicht darum, mich zu überzeugen, dass Sie trans* sind oder dass Sie sich meinen Wünschen gemäß verhalten müssten (was psychischer Missbrauch meinerseits wäre und meiner psychotherapeutischen Berufsethik widerspräche). Hilfreich ist es für uns beide jedoch, wenn Sie ehrlich zu sich selbst und zu mir sind und keine Rolle spielen. Ich würde dies ziemlich schnell bemerken und dies dann ansprechen.

Sollten Sie mir etwas vorspielen oder mir Antworten geben, von denen Sie denken, dass ich sie hören möchte, dann ist dies grundsätzlich als Psychotherapeut kein Problem für mich. Gerade das kann ja ein Hinweis sein, wie wichtig Ihnen Ihre trans*Identität und die positive Stellungnahme sind. Ich würde sie allerdings auf Ihr Vorspielen ansprechen, um den dahinterliegenden Sorgen Raum zugeben, dass ich Sie nicht ernst nehme.

Ich weiß natürlich, dass viele trans*Personen zig Erfahrungen damit gemacht haben, dass ihnen ihre Identität und ihre authentischen Bedürfnisse ausgeredet wurden, manchmal auch von professionellen Helfer*innen.


Manchmal sagen mir dann trans*Personen, dass sie schon immer gespürt hätten, trans* zu sein. Bei genauerem Nachfragen geben sie allerdings zu, dass sie sich erst seit Beginn der Pubertät als dem anderen Geschlecht zugehörig oder zwischen den Geschlechtern fühlen. Ich sage ihnen dann, dass das bei vielen trans*identen Personen der Fall ist, bei denen sich aber die trans*Geschlechtlichkeit dann trotzdem das ganze Leben hindurch als stabil erweist.

Auch Zweifel bezüglich der Hormontherapie und chirurgischer Maßnahmen sind kein Grund, diesen nicht zuzustimmen. Zweifel und Bedenken stellen nämlich eine hohe kognitive Leistung und Stärke dar und sprechen für eine gesunde Seite in Ihnen.

Als Psychotherapeut ist es meine Aufgabe, Ihnen einen sicheren Raum zu geben, damit Sie offen über Ihre Sorgen, Ängste und Ihre Not sprechen können.


Was ist unbedingt erforderlich?

  • Ihre Identifikation als trans*ident, divers, polygender, queergender oder genderfluid sollte dauerhaft und stabil sein. Wenn Sie erst vor einer Woche realisiert haben, trans* zu sein, dann ist das für mich noch zu früh für eine positive Stellungnahme. Allerdings erfordern die Richtlinien in Österreich ohnedies eine mindestens vier bis sechs Monate lange psychotherapeutische Begleitung, bevor ich Ihnen eine positive Stellungnahme schreiben darf.
  • Das Unbehagen mit dem biologischen Geschlecht und der sozialen Geschlechterrolle muss dauerhaft sein.


Ein Tipp: Die Änderung des Vornamens und des Personenstandes ist auch aus juristischer Sicht sinnvoll. Am Besten sollte die Änderung vor hormonellen oder operativen Maßnahmen erfolgen. Den wer bereits Vornamen und Personenstand geändert hat, gilt juristisch gesehen bereits als Person im Wunschgeschlecht. Eine trans*Frau ist dann juristisch und formell eine Frau, und es lässt sich leichter argumentieren, dass diese Frau einen massiven Leidensdruck wegen ihres männlichen Körpers hat und Hormontherapien und Operationen unbedingt notwendig sind. Dieses Prozedere ist vor allem in Deutschland zu empfehlen.


Ein Alltagstest ist in Österreich übrigens nicht mehr notwendig, da dieser trans*Menschen Zwängen unterwirft. Zudem wollen sich viele trans*Personen zurecht vor Diskriminierung schützen. Der Alltagstest hatte viel Diskriminierungspotenzial in sich, weil trans*Personen häufig diskriminiert werden, wenn sie in ihrem Wunschgeschlecht leben.


Biographische Fragen für trans*Personen

Auf diese Fragen können Sie sich vorbereiten, wenn Sie Gutachten für Hormontherapien, Operationen und körperverändernde Maßnahmen benötigen:


  • Wann habe ich in meinem Leben zum ersten Mal gespürt, dass ich dem anderen Geschlecht angehöre oder dass ich mich als zwischen den Geschlechtern erlebe?
  • Wie haben meine Eltern, meine Geschwister, Freund*innen und das soziale Umfeld darauf reagiert?
  • Was war meine Reaktion darauf? Habe ich Schutzmechanismen entwickelt, wie etwa Protest, Trotz, Flucht nach vorne oder Rückzug oder Überanpassung an stereotype Geschlechterrollen?
  • Wie ist es mir ergangen, als ich in die Pubertät gekommen bin. Wie erlebte ich meine erste Menstruation bzw. meinen ersten Samenerguss?
  • Wann und wie habe ich realisiert, dass ich trans*ident bzw. non-binär bin?
  • Wann und wie habe ich mich geoutet?


Welche Diagnosen werden von den Krankenkassen bzw. Gesundheitskassen akzeptiert?

Lediglich zwei Diagnosen sollten von Gutachter*innen gestellt werden.

Da noch immer die ICD-10 (die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in ihrer zehnten Version) gilt, braucht es für die Änderungen von Namen und Personenstand sowie die Freigabe zur Hormontherapie folgende Diagnosen:

  • ICD-10: F64.0 Transsexualismus (im Jugend- und Erwachsenenalter)
  • ICD-10: F64.2 Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters

Nach der Einführung der ICD-11 sollten folgende Diagnosen gestellt werden:

  • ICD-11: HA60 Geschlechtsinkongruenz bei Jugendlichen und Erwachsenen
  • ICD-11: HA61 Geschlechtsinkongruenz bei Kindern


Etwas augenzwinkernd möchte ich nun folgende Frage stellen:

Was müsste ich tun, damit eine positive Stellungnahme verweigert wird?

Hier gibt es lediglich zwei Möglichkeiten

  1. Wenn Sie gerade eine schwere psychische Erkrankung haben UND zugleich nicht an Ihre Emotionen und Ihre Bedürfnisse herankommen. Darum sollte man etwa auch während schwerer Depressionen, während einer manischen Phase, während einer Psychose oder Schizophrenie keine schwerwiegenden Entscheidungen, wie etwa Trennungen vom/von der Partner*in oder einen Hauskauf treffen. Ich muss als Therapeut fühlen, dass Sie die Kompetenz haben, Ihre eigenen authentischen Gefühle und Bedürfnisse zu spüren. Ich erlebe es übrigens nur äußerst selten, dass eine psychische Erkrankung so stark ist, dass die betroffene Person gerade nichts fühlt und spürt.
  2. Wenn Sie gerade während der Pubertät oder Adoleszenz eine generelle Identitätskrise haben, alles infrage Stellen und in kurzer Zeit Ihre bisherige Identität über Bord werfen und sich ganz neu erfinden. Hier fehlt es mir dann an Stabilität und Zeit.


Wenn die Stellungnahme/das Gutachten negativ ausfällt

Auch eine negative Stellungnahme meinerseits ist nicht unumstößlich und in Stein gemeißelt. Ich kann immer auch Fehler machen und mich irren. Manchmal brauche ich als Psychotherapeut allerdings noch mehr Zeit, bevor ich Maßnahmen zustimmen kann, die irreversibel sind. Wenn etwa ein sexuell schwer traumatisiertes Mädchen ihren männlichen Täter verinnerlicht hat und wie dieser werden möchte, um sich damit selbst zu bestrafen, dann muss ich erst herausfinden, ob dieses Mädchen nur wegen ihres Täterintrojekts ein Junge werden möchte oder ob nicht zugleich doch auch eine echte trans*Identität vorliegt. Oder wenn Personen nach schweren Traumen gar nichts mehr sagen oder verschiedene Persönlichkeitszustände entwickeln, die nicht alle mit der Transition einverstanden sind, dann braucht es viel Zeit und sicheren Raum. Oder wenn ich das Gefühl habe, dass Eltern ihr Kind zur Transition drängen.


Fazit: Es reicht aus, wenn Ihr trans*identes Selbsterleben dauerhaft und stabil ist und ich als Psychotherapeut das Gefühl habe, dass Sie einen guten Zugang zu Ihrem authentischen Spüren der trans*Geschlechtlichkeit haben. Dann sind weder schwere psychische Erkrankungen (etwa Borderline) noch ASS (Autismus-Spektrum, etwa Asperger oder Autismus) noch ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) Ausschlussgründe.


Wann sollte ich meine*n Gutachter*in oder Psychotherapeuten*/Psychotherapeutin* wechseln?

  • Wenn Ihr/Ihre Gutachter*in Ihre trans*Identität pathologisiert und diese als eine psychische Störung betrachtet.
  • Wenn er/sie Nacktfotos von Ihnen sehen möchte.
  • Wenn er/sie Sie drängt, mit anderen Menschen Sex zu haben und dies zur Voraussetzung für ein positives Gutachten macht.


Hierbei handelt es sich um schwere professionelle Entgleisungen und Übergriffe, gegen die Sie auch juristisch vorgehen können. Beim Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie gibt es dafür eine Beschwerdestelle.

 

Stellungnahme oder Gutachten?

In Österreich spricht man im Gegensatz zu Deutschland von "Stellungnahme". Umgangssprachlich hat sich hingegen das Wort "Gutachten" durchgesetzt. In Österreich gibt es weniger bürokratische Hürden als in Deutschland, sodass trans*Menschen im Schnitt viel rascher mit hormonellen und chirurgischen Maßnahmen beginnen können.


Sind geschlechtsangleichende Operationen im EU-Ausland möglich?

Als Österreicher*in können Sie u.U. geschlechtsangleichende Maßnahmen auch in Deutschland machen lassen, wo sich mehr Spezialkliniken für geschlechtsmodifizierende Operationen als in Österreich befinden. Wenn eine notwendige medizinische Behandlung, die im Fall der Diagnose "Transsexualismus" gegeben ist, im eigenen Land nicht rechtzeitig möglich ist oder sich im Heimatland nicht genug Spezialist*innen befinden, dann kann die Krankenkasse der geplanten Behandlung im Ausland zustimmen.

Hier finden Sie das Formular E 112 Bestätigung der Kostenübernahme für eine geplante Behandlung im EU-Ausland.

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