Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
Mail: florian.friedrich@psychotherapie-salzburg.de
Adressen: Innsbrucker Bundesstraße 47
und Fürstenallee 9
5020 Salzburg
Österreich
Mag. Florian Friedrich, BA
Psychotherapeut (Existenzanalyse)
in Salzburg / Hamburg
Wichtig: Ich kann erst ab Anfang Februar 2025 wieder freie Plätze und Erstgespräche anbieten.
In den letzten Jahren sind die HIV- und Syphilis-Neudiagnosen unter MSM (Männern, die Sex mit Männern haben) wieder angestiegen. Die Sozialwissenschaften erklären die zahlreichen Neudiagnosen u.a. mit dem Minority-Stress-Modell, dem Minderheitenstressmodell. Lesen Sie in diesem Beitrag über neue Ansätze in der HIV- und STI- Prävention für MSM.
Es handelt sich dabei um einen Text, den ich für die Aidshilfe Salzburg verfasst habe.
Das Minority-Stress-Modell besagt, dass diskriminierte Minderheiten, wie etwa MSM, Gefahr laufen, selbstschädigende Verhaltensweisen zu begehen und sich häufiger mit STIs (sexuell übertragbaren Infektionen) infizieren. Es besteht ein statistischer Zusammenhang zwischen Diskriminierungserfahrungen, sozialem Stress, psychischen und physischen Erkrankungen, Drogenkonsum und STIs. Schwule und bisexuelle Männer haben ein doppelt so hohes Risiko eines Suizidversuchs oder von Suizidgedanken als heterosexuelle Männer. Auch leiden sie aufgrund von Diskriminierungserfahrungen signifikant häufiger unter Angststörungen und Depressionen. Aufgrund der homonegativen/homophoben Sozialisation sind MSM mitunter immensem sozialen Stress ausgesetzt und verinnerlichen die homonegative Ablehnung. Ein beschädigtes Selbstwertgefühl sowie eine beschädigte Identität sind die Folgen.
Bedeutsam ist für die MSM-Prävention die Erkenntnis, dass MSM, die psychosozialem Stress ausgesetzt sind und Homonegativität stark verinnerlicht haben, häufiger sexuelle Risiken eingehen, als MSM, die über ein gutes Selbstwertgefühl verfügen und ihre Homo-/Bisexualität akzeptieren.
Folgenschwer ist zudem die in den letzten Jahrzehnten verstärkt propagierte neoliberale Tendenz, kollektive Risiken zu individualisieren. D.h., einst gesellschaftlich definierte Bereiche von Gesundheit und Krankheit werden im Zuge der Biomedikalisierung privatisiert und dem Individuum zugewiesen. Auf diese Weise propagieren MSM-Präventionskampagnen zu stark die Eigenverantwortung beim Sex. Dies soll nun nicht bedeuten, dass das Individuum nicht zur Eigenverantwortung aufgerufen werden sollte und als ein hilfloses, passives Opfer widriger gesellschaftlicher Umstände zu betrachten ist. Ein wirksames Empowerment kann aber nur dann stattfinden, wenn kollektive, strukturelle und systemische Risiken vermindert werden. Gesellschaftliche und strukturelle Dimensionen sind in der Prävention immer zu berücksichtigen.
Das hat zur Folge, dass die MSM-Prävention der Zukunft biopsychosoziale Perspektiven einnehmen muss. Es geht in der Prävention nicht nur um den biologischen Aspekt der Sexualität, sondern um Menschen, die aufgrund ihrer individuellen sexuellen Identitäten Sexualität sehr unterschiedlich leben. Auf diese Weise gelangt Phil Langer (Langer, 2010, S. 239) zu der Schlussfolgerung, dass die HIV-Prävention nur dann Sinn macht, „wenn sie im Kontext mit der Adressierung der anderen, mit der Epidemie bei MSM verbundenen Gesundheitsprobleme geschieht.“
Daher ist das Ineinandergreifen von sexuellem Risikoverhalten und HIV/STIs sowie psychosozialen Belastungen, Drogenkonsum etc. in der Prävention zu thematisieren.
Weitere Faktoren, warum gerade jüngere MSM höhere Risiken eingehen, sind:
Auch andere Krankheiten, etwa die Hepatitis C, sind unter schwulen und bisexuellen Männern häufiger verbreitet.
Die oben erwähnten Erkenntnisse Langers sprechen wiederum dafür, dass in den AIDS-Hilfen Coming-Out-Beratungsgespräche, allgemeine Beratungen für MSM, Gesprächs- und Selbsthilfegruppen angeboten werden sollten. Nicht zu unterschätzen ist der sexualpädagogische Zugang. Hier werden Schüler*innen, Jugendliche und jungen Erwachsenen mit der Vielfalt der sexuellen Lebensweisen und Lebensweltorientierungen konfrontiert.
Im Jahr 2009 hat die Aidshilfe Salzburg in Zusammenarbeit mit der HOSI Salzburg einen Workshop konzipiert, welcher homo- und bisexuelle Lebensweisen zum Inhalt hat. Dieser Workshop kann direkt bei der Aidshilfe Salzburg gebucht werden und wird im ganzen Bundesland Salzburg, bei Bedarf auch in den Grenzregionen Bayerns gehalten. Die Referentinnen* und Referenten* fahren direkt an die Schulen. Der inhaltliche Schwerpunkt des Workshops, der mindestens zwei Unterrichtseinheiten, mitunter aber auch (etwa bei Schulprojekten) mehrere Tage in Anspruch nimmt, liegt auf der Vermittlung psychosozialer Aspekte homo- und bisexueller Lebensweisen, der Reflexion von Stereotypen, Vorurteilen, Genderrollen, sexueller Identitäten und Konstrukte. Zwar ist es fraglich, ob ein einmaliger Workshop die Einstellung zu homo- und bisexuellen Lebensweisen tiefgehend und nachhaltig verändern kann, doch stellt der von Aidshilfe und HOSI konzipierte Workshop für viele Schüler*innen die einzige Möglichkeit dar, sich während ihrer Schullaufbahn mit Homo- und Bisexualität in einem geschützten Rahmen intensiv und kritisch auseinanderzusetzen, da viele Lehrer*innen die Thematik in ihrem Unterricht aufgrund von Unwissenheit oder homonegativer, heteronormativer Einstellungen meiden.
Ein weiterer Punkt ist, dass Lehrkräfte nicht moralisieren sollten, wenn Schüler*innen Berührungsängste und Probleme mit Homosexualität zeigen. Eine moralische, verurteilende Haltung der Lehrperson bewirkt häufig, dass die Schüler*innen Schuldgefühle entwickeln und sich innerlich vom Unterricht ausklinken, also sich keine Fragen mehr zu stellen trauen, die auf Vorurteilen beruhen. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass Lehrkräfte den Schüler*innen mit Verständnis begegnen, wenn sie Vorurteile haben. Es sollten alle Fragen der Schüler*innen ernst genommen werden, auch wenn diese auf Vorurteilen beruhen oder als Scherzfragen gemeint sind. Gerade junge Menschen, die sich mitten in der Pubertät befinden, sind oft so sehr mit ihrer eigenen Identitätsfindung beschäftigt, dass ihnen Abweichungen von der Heteronormativität Angst machen. Vielmehr sollten die Lehrer*innen die Kunst beherrschen, zwischen den Zeilen zu lesen und die nonverbalen Botschaften der Jugendlichen zu erkennen.
Die von uns präferierte Methode für den Unterricht ist es, eine*n Gastvortragende*n in den Unterricht einzuladen. Der große Vorteil dieser Methode ist, dass die Lehrperson entlastet wird und dass sich die Schüler*innen bei von außen kommenden Personen häufig Fragen zu stellen trauen, die ihnen bei der aus dem Schulalltag bekannten Lehrperson eventuell peinlich wären.
Günstig wäre es, wenn die vortragende Person selbst schwul, lesbisch oder bisexuell ist und somit das Thema Homosexualität an einem konkreten Menschen fassbar wird. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass homophobe Menschen ihre Ängste und Unbehagen abbauen, wenn sie schwule, lesbische und bisexuelle Menschen persönlich kennenlernen. So konnten etwa Vortragende öfters die Erfahrung machen, dass Schüler*innen, die zu Beginn eines Workshops Berührungsängste und Vorurteile gegenüber Homosexualität hatten, im Laufe des Workshops mit den Vortragenden in ein sehr wertschätzendes und interessiertes Gespräch kamen und keinerlei Ängste mehr zeigten. Da diese Vortragenden speziell geschult sind und es vermeiden, sich über die Vorurteile und Ängste von Schüler*innen lustig zu machen sowie Akzeptanz für die Lebenswelt von Jugendlichen und Verständnis aufbringen, gelingt es ihnen fast immer, bei ihnen Denkprozesse auszulösen und wichtige Impulse zu setzen und eigene, stereotype Vorurteile kritisch zu hinterfragen. Auch jene Schüler*innen, die selbst homosexuelle Neigungen haben, können durch externe Workshopleiter*innen in ihrer Persönlichkeitsentfaltung gefördert werden.
Die Vortragenden beantworten – abgesehen von intimen Vorlieben – auch persönliche Fragen zu ihrem Coming Out, diskriminierenden oder positiven Erfahrungen in Familie, Freundeskreis und im Arbeitsleben und dem Weg ihrer homosexuellen Identitätsfindung. Zudem verfügen die Vortragenden über wichtige Informationen zu Selbsthilfegruppen, homosexuellen Netzwerken, Beratungsangeboten und Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten, die auf Comingout-Schwierigkeiten spezialisiert sind etc.
Langer, Phil C.: Beschädigte Identität. Dynamiken des sexuellen Risikoverhaltens schwuler und bisexueller Männer. Wiesbaden 2010.